The African Twin Towers – Der Ring – 9/11
D 2005, 399 min
Lost in Namibia. Ein Dokumentarfilm über Christoph Schlingensiefs letzten, unvollendeten Film – von ihm selbst kommentiert.
Synopsis
Fragmente eines Schocks. Als Film über Wagner-Festspiele im ehemaligen Deutsch-Südwest geplant und in Namibia gedreht, eröffnet sich dem Betrachter eine Parallelwelt surrealer Taten, die nur er kombinieren kann.
Kaum eine Arbeit hat Schlingensief so umgetrieben wie diese. Bilder und Videos von THE AFRICAN TWIN TOWERS tauchen darum in mehreren seiner Projekte wieder auf. Als Spielfilm im Jahre 2005 geplant und in Namibia gedreht, verwendet Christoph Schlingensief zunächst Fragmente des Films in mehreren Projekten wie AREA 7, STAIRLIFT TO HEAVEN und KAPROW CITY. Die Installation 18 BILDER IN DER SEKUNDE wird auf der Berlinale 2008 (Forum Expanded) veröffentlicht und ist Teil der Ausstellungen im Migros Museum in Zürich und im Haus der Kunst in München. 2009 hat der Film THE AFRICAN TWIN TOWERS schließlich im Prater der Volksbühne in Berlin Premiere, es ist eine Dokumentation der Dreharbeiten mit Spielszenen, von Christoph Schlingensief rückblickend kommentiert. Ein weiteres Fragement des Films ist SAY GOODBYE TO THE STORY.
THE AFRICAN TWINTOWERS – DER RING 9/11 (Afrika-Edition) ist neben HOUSE OF OBSESSION (Island-Edition) und ODINS PARSIPARK (Deutschland-Edition) der 3. Teil des Projekts DER ANIMATOGRAPH.
DVD-Inhalt / 2 DVDs:
- THE AFRICAN TWINTOWERS (ATT Tagebuchfilm – 2005-2009, 70 min)
- SAY GOODBYE TO THE STORY (ATT 1/11 – 2011, 24 min)
- Minox-Filme – Christoph Schlingensiefs POV (2005, 93 min)
- Animatograph-Aufbau (2005, 17 min)
- Christoph Schlingensief – Interview (2005, 9 min)
- Patti Smith – Interview (2005, 3 min)
- Animatograph-Konstrukteure Tobias Buser & Udo Havekost – Interview (2005, 5 min)
- Original-Drehbuchvorlage
- Fragmente (2005-2010, 178 min)
- 40-seitiges Booklet mit Texten und Bildern
Streaming-Info
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Sprache: Deutsch
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Pressestimmen
Gedreht hat Christoph Schlingensief in Lüderitz, einer Kleinstadt an der namibischen Atlantikküste, die weitreichende Erinnerungen an die deutsche Kolonialzeit preisgibt. Außerhalb von Lüderitz liegen die schwarzen Slums und die "Area 7", ein Lager für Zwangsausgesiedelte. Die Filminstallation ist hochartifiziell, ironisch, chaotisch und verstörend. Sie versöhnt keine Widersprüche und heilt kein Leiden durch geordnete Bilder, sondern ist in ihrer unendlichen Offenheit für die Welt die Wunde selbst. (Wiener Zeitung 10.2008)
Angelpunkt der Installation ist ein Fragment gebliebenes Filmprojekt in Namibia. In der ehemals deutschen Kolonie, in einem Ort namens Lüderitz, sollte es u. a. um nordische Mythen und afrikanisches Schamanentum gehen. Und um das im Titel angedeutete Faktum, dass in Afrika täglich 35.000 Menschen Hunger und Gewalt zum Opfer fallen, das Vielfache der Toten der Anschläge vom 11. September 2001. "Unbemerkt", wie Schlingensief feststellt. (Kleine Zeitung Graz, 10.08)
Preise und Festivals
- Berlinale Forum Expanded 2008
- Festival neuer Kunst „Steirischer Herbst“, Neue Galerie Graz, 2. - 26. Oktober 2008
- Hebbel am Ufer Theater in Berlin, 1. - 16. November 2008 („THE AFRICAN TWIN TOWERS – Starlift to Heaven“, Mixed Media Installation von Christoph Schlingensief)
Weitere Texte
„ISTʼN LOOSER-FILM …, KEIN TEMPO …, ALLES IM ARSCH …“
Welt als Film und Film als Trauma in Christoph Schlingensiefs THE AFRICAN TWIN TOWERS
von Jörg van der Horst (10/2015)
Film als Trauma
Der folgende Text handelt von einem Film, den es gar nicht gibt. Er existiert nur in Fragmenten. Es gibt auch eine Homepage zum Film, den es nicht gibt. Wenn man ihr trauen darf, dann handelt es sich bei diesen Bruchstücken um „Fragmente eines Schocks“. Um Reste, Fetzen, Bild- und Bewusstseinsstörungen, womit sich ein erster Kreis schlösse. Christoph Schlingensief, der Urheber dieses Films und seines Zeichens Fachmann für Resteverwertung, Archäologe der Gegenwart, Störenfried geregelter Abläufe, war seit jeher „der festen Überzeugung, dass man einen Film im Zustand der Ohnmacht gestalten sollte“. (...)
Augenzeugen von „The African Twintowers“ und Überlebenden des Projekts zufolge existieren zwischen 180 und 260 Stunden
Filmmaterial. Alle Mitwirkenden verorten die Zeit der Dreharbeiten im Oktober 2005 irgendwo zwischen Martyrium und Mysterium – mit starker Tendenz zum Martyrium, zum Trauma. Filme, die trotz oder gerade wegen ihrer großen Ambitionen und präzisen Vorbereitungen gescheitert sind, gibt es viele. Man denke nur an „Queen Kelly“ (1928), der Regisseur Erich von Strohheim in jeder Hinsicht ruinierte, an Orson Welles’ „The other side of the wind“ (1970) oder „The man who killed…“ ...
So unbedarft aber wie bei „The African Twintowers“, kurz ATT genannt, haben sich Cast und Crew wohl selten auf den Weg gemacht. Nicht mal kurz um die Ecke, sondern ins südliche Afrika, nach Namibia. Ohne zu wissen, was gedreht werden sollte. Und ohne zu ahnen, was wirklich passieren würde. Klar war, dass es sich um den dritten Teil des „Animatographen“ handelte, Schlingensiefs Langzeitarbeit rund um eine mobile und begehbare Drehbühne, die zuvor schon in einem Keller in Reykjavik und auf einem ehemaligen NVA-Gelände unweit von Berlin in Erscheinung getreten war. Außerdem klar war, dass es abermals um eine weitere Behandlung jenes Traumas gehen sollte, das sich Schlingensief im Zuge der Arbeiten am „Parsifal“ in Bayreuth zugezogen haben wollte und das ihn seither verfolgte. Nachfahren Johann Sebastian Bachs, so der ziemlich simple Plot, brechen mit hauseigenem Regisseur ins ehemalige Deutsch-Südwestafrika auf, um auf den Resten des deutschen Kolonialwesens, in einem Township der Hafenstadt Lüderitz, auf einer noch zu bauenden Drehbühne Bach-Festspiele aufzuziehen, dies natürlich vor dem Hintergrund, dass Deutschland selbst vollends durch die Wagner-Mafia infiltriert und verseucht worden ist. In Lüderitz angekommen, sind die Bachs vor jede Menge Hürden gestellt, die die Organisation der Festspiele, der Eröffnungspremiere, vor allem aber den Verfall der Familie betreffen. Deren Mitglieder verhalten sich immer seltsamer und flüchten sich in Familienrituale, was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Der Regisseur, Schlingensiefs Alter Ego, verzweifelt an den Produktionsbedingungen. Er verliebt sich in die apathische Tochter der Familie, die womöglich ein inzestuöses Verhältnis mit ihrem womöglich homosexuellen Bruder hat, und fühlt sich mehr und mehr verfolgt von deren Eltern, dem V-Mann einer kafkaesken Kulturbehörde, Figuren aus Wagners „Ring des Nibelungen“, einer Zwergin, einer Schamanin, einem Pinguin, vielen Schwarzen, dem ehemals schwarzen Michael Jackson, vielleicht aber auch nur von sich selbst. Wäre das schon alles, könnte man von einer schnöden Fortsetzung von „United Trash“ sprechen, Schlingensiefs bis dato vorletztem Film von 1995. Doch die Spirale der Irrungen und Verwirrungen reißt einfach
nicht ab. All diese Hürden führen nie zum Abbruch des ursprünglichen Festspielvorhabens, das wie eine Wahnvorstellung über allem schwebt. Wie von einer fixen Idee gescheucht, hecheln die Protagonisten durch die Stadt, das Township, ans Meer, in die Wüste, mal allein, mal in Gruppen, mal alle zusammen. Sie gehen zum Friseur oder regeln den Verkehr. Und irgendwann – man kann nicht sagen wann, weil der rote Faden längst gekappt ist – tritt plötzlich Schlingensief selbst ins Bild. Er macht keinen Hehl mehr daraus, dass er filmt, raunzt die Darsteller an, animiert sie geradezu, aus den Szenen auszusteigen, malträtiert sie und schimpft – über die Welt, den Film, die Inszenierung von Realität, die Unfähigkeit seiner Mitstreiter, die eigene Unfähigkeit. Alle Ebenen verschwimmen. Der Film ist schizophren geworden, der Film, der Film im Film, die Doku zum Film. Es fließen ineinander Wahrheit und Albtraum … Alles ist dem Untergang geweiht und gibt sich dieser Atmosphäre hin. (...)
Filmabend, Schwedter Straße oder Lost in La Mancha
Ebenfalls nur wenige Tage vor Reiseantritt bat Schlingensief mich an einem Abend in die Schwedter Straße, den Verlorenen Weg, um gemeinsam mit ihm einen Film zu gucken, der, so seine Ankündigung, für ATT von Interesse sein könnte. Es war „Lost in La Mancha“ (2002), eine Dokumentation, die ursprünglich die Dreharbeiten des Films „The man who killed Don Quixote“ von Terry Gilliam begleiten sollte. Daraus
geworden ist das Dokument einer Katastrophe. „Don Quixote“ gibt es nicht. „Lost in La Mancha“ zeigt das Scheitern des Films an teilweise obskuren Umständen: Drehorte liegen in gut, in sehr gut frequentierten Überfluggebieten eines nahe gelegenen NATO-Luftwaffenstützpunktes, ein abrupt einsetzender Starkregen spült vor den Augen des Filmteams wesentliche Teile des technischen Equipments fort, ein Bandscheibenvorfall des Hauptdarstellers Jean Rochefort, den Gilliam für die Widergeburt Quijotes und also für unersetzlich hält usw. Und langsam, zwischen den Bildern auch hier, mutiert Gilliam selbst zum Don Quijote, der seinem Film ein Eigenleben unterstellt, das sich gegen den Film, wie Gilliam ihn geplant hat, zur Wehr setzt. Der Zuschauer sieht ihn durch Kostüm- und Requisitenkammern streifen wie durch den Organismus seines Films, sieht ihn bei Probeaufnahmen mit Statisten, die nur den Zweck zu haben scheinen, die Zeit zu überbrücken, bis der Film sich hoffnungsvollerweise bereit erklärt, zurückzukehren. Ich gebe zu, dass ich damals nicht sofort verstand, worauf Christoph hinaus wollte. Ich glaube, heute weiß ich es … (...)
Ende und Anfang
Die Frage bleibt, ob hinter allem wirklich die Vorstellung von einem Film zu erkennen ist. Und diese Frage muss auch bleiben, denn sie ist grundlegend für die Anschauung von ATT. Es wäre schlichtweg falsch, ein Projekt zu dramatisieren, genauer: zu dramaturgisieren (was auch immer das sein soll …), das die Dramaturgie als den Tod der Autonomie ablehnt. Schlingensief hat nicht gewusst, worauf er sich einließ. Trotzdem können wir davon ausgehen, dass er es so und nicht anders gewollt hat, dass er sich, seinen Cast und seine Crew vorsätzlich in die Katastrophe manövriert hat, dass er ein Ideal von Katastrophe im Kopf hatte. Die Erwartungshaltung, der Aktionismus, die Ausbeutung, die Antriebslosigkeit, das Misstrauen, die Ohnmacht, die Verzweiflung, die Frage seiner Mutter „Bist du wirklich glücklich mit dem, was du da
machst?“ in einem morgendlichen Telefonat – all das war nicht vorherzusehen, aber Schlingensief hat es geschehen lassen. Nicht als Fatalist des Films, nicht als Kinofanatiker – als Agent (Selbst-)Provocateur, als Dr. Frankenstein des Films, der ein Monster gebärt. Der Verlust der Kontrollmechanismen war wie eine Rückbesinnung auf seine Anfänge, in denen er Drehorte suchte, die unerträglich waren, Drehpläne erstellte, die nicht zu schaffen waren, unspielbare Drehbücher schrieb. Im Laufe von ATT wurde er so selbst zu einem der Avantgardeforscher aus seinem ersten Langfilm „Tunguska“ (1984). In einem der Minox-Filme, die Schlingensief bei den Dreharbeiten zu ATT aufgenommen hat, sagt er in die Kamera, sich selbst filmend, separiert von der Crew im Hintergrund: „Ist ’n Looser-Film, … kein Tempo, … alles im Arsch.“ Das ist kein Urteil über den Film – es ist sein Mantra. Es ist womöglich die einzige Vorgabe, die Schlingensief sich in Sachen ATT gemacht hat. So ist ATT auch ein Dokument über das Ende von Film, wie er ihn nicht mehr sehen konnte, und zugleich über die Geburt von Film, wie er ihn sehen wollte: fragmentarisch, übersinnlich, sich erzählend allein im Auge des Betrachters. (...)
Der vollständige Text ist in dem Booklet zur DVD THE AFRICAN TWIN TOWERS abgedruckt.
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Credits
Regie und Idee
Christoph Schlingensief
Mit
Irm Hermann, Karin Witt, Klaus Beyer, Christoph Schlingensief, Patti Smith, Robert Stadlober, Katharina Schlothauer, Björn Thors, Stefan Kolosko, Norbert Losch, Dirk Rhode, Christiane Tsoureas, Mohammed Ben-Wazir, Christin Appollus, Theatergruppe Lüderitz
Kamera
Meika Dresenkamp, Kathrin Krottenthaler, Patrick Waldmann, Christoph Schlingensief
Schnitt
Kathrin Krottenthaler
Additional Editing
Robert Kummer, Angela Christlieb, Simone Hofmann, Sabine Steyer
Musik
Hanno Leichtmann mit Sir Henry
Abspannsong
„My Father“ von Patti Smith
Kostüme und Fotos
Aino Laberenz
Ausstattung
Tobi Buser, Anne Grumbrecht
Beleuchter
Johannes Gaseb
Ton
Jerome Burkhard
Animatograph-Konstruktion
Tobi Buser, Udo Havekost
Bauleiter Area 7
Collin Elastus
Regieassistenz
Sophia Simitzis
Dramaturgie
Jörg van der Horst
Aufnahmeleitung Namibia
Werner Rawe
Produktionsleitung Namibia
Karim Debbagh
Produktionsleitung Deutschland
Christoph Amshoff
Produzent
Frieder Schlaich
Produziert von
Filmgalerie 451
In Koproduktion mit
ZDFtheaterkanal
Redaktion
Wolfgang Bergmann
In Zusammenarbeit mit
Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz, Burgtheater Wien, Hauser & Wirth Zürich, Kunststiftung TBA 21, Bundeszentrale für politische Bildung
Unterstützt von
Filmstiftung NRW, Medienboard Berlin-Brandenburg und Filmförderung B.W.
Premiere
04.05.2009 im Prater der Volksbühne
DVD-Infos
Inhalt
„The African Twin Towers“ (ATT Tagebuchfilm – 2005-2009, 70 min – opt. engl. UT), „Say Goodbye to the Story“ (ATT 1/11 – 2011, 24 min – opt. engl. UT), Minox-Filme – Christoph Schlingensiefs POV (2005, 93 min – opt. engl. UT), Animatograph-Aufbau (2005, 17 min), Christoph Schlingensief – Interview (2005, 9 min – opt. engl. UT), Patti Smith – Interview (2005, 3 min – Englisch), Animatograph-Konstrukteure Tobias Buser & Udo Havekost – Interview (2005, 5 min – opt. engl. UT), Original-Drehbuchvorlage, Fragmente (2005-2010, 178 min – Disc 2 ohne Untertitel)
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Ländercode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
399 min
Bildformat
16:9
Tonformat
DD 2.0
Inhalt
Digipack (Set Inhalt: 2), 40-seitiges Booklet mit Texten und Bildern
Veröffentlichung
06.11.2015
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG
Kinoverleih-Infos
Verleihkopien
DCP (2K, 24 fps, 5.1)
Blu-ray Disc
Bildformat
Digital, 16:9
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch (DCP, BD)
Werbematerial
A4-Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG