Das Kino und die Realität
(Ausschnitt aus einem Bericht zum Erscheinen von SUPERMARKT, Badisches Tagblatt)
Kino bedeutet für Klick die Polarität der Auseinandersetzung mit der Gegenwart und deren Wiedergabe im Film. „Bei vielen Regisseuren geht diese Polarität verloren“, sagt er, „weil sie von Film zu Film mehr in einer Kunstwelt zu leben beginnen und nur noch mit der Reproduktion beschäftigt sind, statt mit der direkten, konkreten WIrklichkeit. Man erliegt nur allzu leicht der Versuchung, in der Inzucht der Berufwelt aufzugehen. Ich aber möchte Filme machen und leben, beides ist untrennbar miteinander verbunden.“ (...) Klick ist in seinem Filmstil zweifellos beeinflußt vom amerikanischen Kino, und ihm gilt eingestandenermaßen auch seine ganze Liebe: „Die Amerikaner haben etwas begriffen, was in Europa in den Höhenflügen der Gedanken hängengeblieben ist – daß nämlich Kino sich mit Gegenständen befaßt, sie fotografiert, liebt, auf die Leinwand bringt, sie zum Fetisch macht. Indem man filmt, vollzieht man ein Bekenntnis zur Oberfläche der Dinge. Man muß sie studieren, betrachten, begreifen und dann entdeckt man, daß in ihrer Bereitschaft alles sichtbar ist und daß das zum Ausdruck kommt, was ihre Existenz ausmacht. Kino ist für mich eine bestimmte Art der Auseinandersetzung mit der Welt, mit der gesellschaftlichen Realität, mit dem Oberflächlichen. Eine Auseinandersetzung mit dem Instrument der Kamera. In diesem Sinne ist das Kino die eigentliche materialistische Kunst.“
Filmen als Prozess der Liebe
(Ausschnitt aus einem Bericht anlässlich Roland Klicks jüngstem Film DEADLOCK, Ingeborg Weber, Stuttgarter Zeitung)
„Kino ist für mich nicht Stätte der Aussage, der Belehrung, sondern Ort der Kommunikation, Schauplatz eines Gemeinschaftserlebnisses. Kino – das sind Bilder, die wirken, sich auswirken wollen auf die Menschen, die sie sehen. Verschiedenartigste Beziehungen zwischen Bild und Betrachter stellen sich her. Gleichzeitig wünsche ich mir Kommunikation mit den Menschen neben mir. Nebeneinander gleichzeitig die gleichen Bilder sehen, da schwingt doch etwas zwischen den Menschen.“
Autos, Geld, Pistolen
(Jörg Schöning zum Kino von Roland Klick)
Roland Klick gilt als der „Professional“ unter den deutschen Regisseuren. Das verwundert auf den ersten Blick bei einem Mann, dessen filmisches Gesamtwerk, entstanden zwischen 1963 und 1989, doch eher schmal ausgefallen ist: Gerade mal sieben Spielfilme, einen abendfüllenden Dokumentarfilm und drei Kurzfilme umfasst es. Doch Professionalität ist bei Roland Klick keine Frage des Outputs, sondern der Haltung. Kein anderer Regisseur in Deutschland hat so geradliniges, physisches Kino gemacht wie er, kein anderer hat sich zugleich so kompromisslos auf die Seite seiner Protagonisten geschlagen. Niemals wurden Schauspieler – bei Klick waren es immer entweder Stars oder Laien – von ihm zu Illustrationen irgendwelcher Thesen degradiert, stets ging es Klick um ihre Individualität, die immer spürbar in den Rollen aufging. An Intensität und Wahrhaftigkeit suchen seine Filme darum hierzulande ihresgleichen. So ernst wie er die Schauspieler nahm, so ernst nahm er das Publikum. Dass seine Filme in den 70er, 80er Jahren Kassenerfolge waren, ließ ihn unter den Cliquen der Autorenfilmer, von denen er sich fernhielt, zum Außenseiter werden. Dass er sich den Betulichkeiten des damals gängigen Kommerzkinos nicht anpassen wollte, sorgte andererseits für seine unüberbrückbare Distanz zum Mainstream. „Die Amerikaner machen Filme richtig“, lautet bis heute sein Credo. „Ihre Geschichten und die Art, wie sie sie erzählen, entspricht dem, was das Medium verlangt. Ich habe deutsche Filme gemacht, und ich habe sie offenbar richtig gemacht, denn plötzlich sahen sie amerikanisch aus.“ Roland Klick hat „Actionfilme“ gemacht.
Kein anderer Regisseur in Deutschland hat rasant beschleunigende Autos so gekonnt ins Bild gesetzt, kein anderer hat Maschinenpistolen derart exzessiv losballern lassen. Doch anders als bei heutzutage modischen Homunkuli vom Dramaturgenreißbrett wirkt das in seinen Filmen niemals lächerlich. Denn schon lange vor John Woo hat er Schusswechsel als ein Ausdrucksmittel zwischenmenschlicher Kommunikation eingesetzt. Hätte er sich auf bloße „Action“ beschränkt, gäbe es kaum zwingende Gründe, sich seine Filme heute wieder anzusehen. Doch angesichts der gegenwärtigen Versuche, in Deutschland (wieder einmal) ein Genrekino zu entwickeln, sind sie ausgesprochen aktuell: Sie können Maßstäbe setzen, verbindet Klick in ihnen doch Action und Anthropologie. Klicks Untersuchungsfeld ist das Hoheitsgebiet der „Randständigen“. Doch Klick ist alles andere als ein Pamphletist, der eine Botschaft hätte. Klick vertraut nur den Bildern. Seine Protagonisten – niemals käme man auf die Idee, von ihnen als „Helden“ zu sprechen – sind schweigsame Outcasts. Was sie untereinander verbindet, ist ihre „Unbehaustheit“. Da gibt es kaum einen, der eine Wohnung besäße oder es länger in ihr aushielte als knappe drei Minuten. Schon sein erster Kurzfilm „Weihnacht“ (1963) zeigt einen Schuljungen, der einen Tag lang durch eine vorweihnachtliche Großstadt stromert und staunend die Warenwelt des wirtschaftswunderlichen Gabenfests zur Kenntnis nimmt. Seine Blicke sind programmatisch für die Arbeitsweise seines Regisseurs: Das Kino Roland Klicks ist ein „Kino der aufgerissenen Augen“. Sie entdecken eine kalte Welt. Geld ist in ihr das Mittel, das alle Dinge in Bewegung setzt. Davon gibt es in „Deadlock“ (1970) entschieden zuviel. Klicks frühes Meisterwerk, eine Mischung aus psychedelischem Western und absurdem Theater, zeigt zwei Gangster, die sich in einem ausgestorbenen Wüstenkaff die Beute streitig machen. Anthony Dawson als zynischer Killer und Marquard Bohm, ein wunder Desperado, liefern sich ein Duell, das als fortschreitendes Delirium inszeniert ist: ein fiebriger Alptraum, in dem dumpfe Boshaftigkeit und heftige Gewaltausbrüche einander ablösen. Am Ende bleibt beim Showdown unter sengender Sonne nicht nur der bemitleidenswerte Mario Adorf, sondern auch die schöne Mascha Rabben auf der Strecke. Wer nicht gänzlich verroht ist, den fröstelt‘s. „Supermarkt“ (1973) erzählt davon, wie schwer es ist, an Geld zu kommen. Die Geschichte eines armen Strichers, um dessen „Wohlergehen“ ein engagierter Journalist, ein reicher Freier und ein schmieriger Ganove aus höchst eigennützigen Motiven konkurrieren, ist in Hamburg angesiedelt. Der Hauptbahnhof, der Kiez und die Straßenzüge am Hafen (lange vor ihrer Gentrification) bilden den Hintergrund für einen schmuddeligen, neon grellen „Asphaltdschungel“, aus dessen Tristesse der chancenlose Verlierer nach einem ebenso verzweifelten wie stümperhaften Coup vergeblich hofft, davonrennen zu können. Ein „Stück vom Kuchen“ will auch der junge Musiker in „White Star“ (1983) abbekommen. Darum lässt er sich mit einem abgehalfterten Produzenten ein, der in ihm wiederum seine letzte Chance erblickt und mittels inszenierter Krawalle und eines Mordanschlags seinen „Star“ auf dieTitelseiten bringt. Der Film ist eine atemlose Tour de force, ein Film, der vielleicht nicht wurde, was er werden sollte, weil sein Hauptdarsteller Dennis Hopper allzu sehr „auf Droge“ war, der mit seinem fragmentarischen Stakkatostil aber adäquat der rohen Punkattitüde der frühen 80er Jahre entspricht. Zu Klicks Prinzip gehörte es von jeher, das Chaos zuzulassen. Er ist ein entschiedener Verfechter des Heterogenen. Die „Produktionsbedingung“ Wirklichkeit ist tief in seine Filme eingeschrieben. Und ging das mal daneben, so hat es doch Charme. Besonders schön in dieser Hinsicht ist Klicks Geschichte, wie er bei den Aufnahmen zu „Jimmy Orpheus“ (1966) bei einer Verfolgungsjagd auf St. Pauli einen – zuvor von ihm Vollkasko versicherten – Leihwagen mit Karacho an einen Laternenpfahl setzte, der Kameramann jedoch, als er Klick auf sich zurasen sah, in Panik alles stehen und liegen ließ, so dass die naturgemäß nicht wiederholbare Aufnahme unterblieb und die Zuschauer darum mit einer akustischen Simulation dieser Verschrottungsaktion aus dem Off vorliebnehmen müssen. Roland Klick hat eben immer alles auf eine Karte gesetzt. In seinen Filmen ist daher zu sehen, wie man Kino richtig macht: ohne Kompromisse.
© Jörg Schöning, erschienen in: SZENE HAMBURG 12/97, Szene Verlag Klaus Heidorn Kg, Hamburg 1997.