Back to top

Bickels [Socialism]

D/ISR 2017, 92 min

22 Bauwerke des Kibbutz-Baumeisters Samuel Bickels gefilmt in Israel 2015. Als Prolog das jüdische Kulturzentrum Casa do Povo in São Paulo, als Appendix Die Geschichte von Vio Nova – mit Bildern von Meir Axelrod.

Synopsis

Im Zentrum von BICKELS [Socialism] stehen 22 Bauwerke des Kibbutz-Baumeisters Samuel Bickels gefilmt in Israel 2015, über die der Film eine Beschäftigung mit den Sedimenten des 20. Jahrhunderts sucht. Die von Bickels entworfenen Gebäude verkörpern das Herz einer Idee, einer sozialen und kulturellen Wechselwirkung. In seiner Architektur materialisiert sich der Wille, Kultur zu erschaffen.

BICKELS [Socialism] ist das zweite Kapitel der vier Filme umfassenden STREETSCAPES-Serie von Heinz Emigholz, zu der in der Reihenfolge ihres Erscheinens 2+2=22 [The Alphabet], STREETSCAPES [Dialogue] und DIESTE [Uruguay] gehören.

Streaming-Info

Der Film ist über unseren Vimeo-Kanal zum Leihen oder Kaufen erhältlich. Weitere Anbieter siehe „Film kaufen“.
Sprache: Englisch, Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Spanisch

Pressestimmen

BICKELS [SOCIALISM] ist ein starker Film, eine Art Hygiene für die Augen. Unser Blick verändert sich im Laufe des Films. Wir fangen an, Verschiedenheiten wahrzunehmen. Dann bemerken wir Ähnlichkeiten. Dann verlieren wir uns. Dann ermüden uns vermeintliche Wiederholungen. Und dann nehmen wir sogar die subtilsten Variationen wahr … – Benjamin Seroussi, Casa do Povo

Ein „Prolog“ über ein ehemaliges jüdisches Gemeindezentrum in São Paulo und ein „Anhang“ über das Schicksal eines Kibbuz in Stalins Sowjetunion kontextualisieren die Architektur Samuel Bickels’ auf eigenwillige Weise. Aufmerksam folgt man über 90 Minuten der minimalistisch angelegten Filmdramaturgie, die ausgehend von Gebäuden Reflexionen in verschiedene Richtungen eröffnet. – Eva-Christina Meier, 17.2.2017, taz

Die israelischen Filme auf der Berlinale erzählen von tiefen Krisen und kleinen Freuden. So erzählt der Dokumentarfilm „Bickels (Socialism)“ von den solidaritätsfördernden Kibbutz-Bauten des Architekten Samuel Bickels. – Igal Avidan, 17.02.2017, Deutschlandfunkkultur

Eine wiederentdeckte Architektur mit Verfallsdatum: Bickels’ Bauten stehen leer und verfallen. Emigholz’ Film „Bickels (Socialism)“ lässt sie wieder auferstehen. – Georg M. Hafner, 9.2.2017, Jüdische Allgemeine

Preise und Festivals

- Berlinale Forum, 2017  
- BAFICI Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente, 2017
- IndieLisboa International Film Festival, 2017
- Tag der Architektur – Wiesbadener Festtage, 2017
- Jerusalem International Film Festival, 2017
- Milano Design Film Festival, 2017
- Viennale – Vienna International Film Festival, 2017
- Duisburger Filmwoche, 2017
- Heinz Emigholz Retrospektive im Stadtkino Basel, 2017
- BOZAR Cinema Brussels, 2018
- Metakino Festival Helsinki, 2019
- Museo de Arte Moderno de Buenos Aires, 2019

 

Weitere Texte

Samuel Bickels
von Galia Bar Or

Samuel Bickels wurde 1909 in Lemberg im damaligen Galizien geboren. Von 1928 bis 1931 absolvierte er ein Studium der Architektur und Ingenieurswissenschaften an der Polytechnischen Universität Lwów. Im Anschluss daran lebte er im Rahmen eines sechsmonatigen Studienaufenthalts in Paris. 1933 heiratete er die junge Physikstudentin Clara Project. Gemeinsam emigrierten beide nach Palästina.
Samuel Bickels’ Eltern, Brüder und viele andere seiner Angehörigen kamen im Holocaust ums Leben. Ab den späten 1930er Jahren war Bickels zunächst Mitglied des Kibbuz Tel Yosef, ab 1951 bis zu seinem Tod 1975 des Kibbuz Beit Hashitaim.
Ab den 1950er Jahren arbeitete er als Architekt mit seiner Frau Clara zusammen, die ihn bis zu ihrem Tod 1969 sowohl bei planerischen Arbeiten als auch beim Anfertigen technischer Zeichnungen unterstützte. Bickels selbst konzentrierte sich überwiegend auf die technisch und künstlerisch anspruchsvollen Aspekte der Planung seiner Projekte, beispielsweise die Akustik einer Konzerthalle oder die Raum- und Lichtgestaltung von Ausstellungsflächen in Museen.
Erst in den letzten Jahren finden seine zahlreichen, markanten architektonischen Arbeiten Anerkennung innerhalb der Architekturszene Israels. Zu seinen Lebzeiten war Bickels nicht an den Diskussionen zur Kibbuz-Architektur an der Technischen Universität Israels in Haifa beteiligt. Auch an einem Symposium zum Thema „The Planning of a Kibbutz Point“ nahm er nicht teil, das 1958 vom Department of Training and Further Studies der Technischen Universität veranstaltet wurde.
Der Architekt Abba Elhanani, der an der Technischen Universität unterrichtete und Herausgeber der Zeitschrift Tvai war, erwähnt Bickels in seinem 1998 erschienenen Buch „The Struggle for the Independence of Israeli Architecture in the 20th Century“ mit keiner Silbe. Auch in die hier veröffentlichte Liste israelischer Architekten ist sein Name nicht mit aufgenommen.
Der Umstand, dass Samuel Bickels im israelischen Diskurs über Fragen der Architektur so lange ignoriert wurde, scheint vor allem mit dem Ausblenden der Verbindung von Architektur und gesellschaftlich-kulturellen Aspekten zu tun zu haben. Bickels hat sich sein Leben lang mit dieser Verbindung beschäftigt und alles dafür getan, um seine Vorstellung von diesem Zusammenspiel in seinen Entwürfen und Bauplänen für soziale, kulturelle und landwirtschaftliche Einrichtungen umzusetzen.                                                                        

Soziale Architektur
Galia Bar Or über BICKELS [Socialism], das Casa do Povo und die Geschichte von Vio Nova

BICKELS [Socialism] beschäftigt sich mit den Sedimenten des 20. Jahrhunderts. Die von Bickels entworfenen Kultur- und Ausbildungseinrichtungen, seine Speisesäle verkörpern das Herz einer Idee, einer sozialen und kulturellen Wechselwirkung. Es scheint, dass sich in Bickels’ Architektur der Wille materialisiert, Kultur zu erschaffen. Seine Gebäude sind in ein physisches, geografisches, von Menschen bevölkertes Umfeld eingebettet. Jedes von ihnen unterscheidet sich von den anderen, jedes ist ein Einzelstück, keines ein Prototyp. Einige von ihnen werden noch genutzt, andere sind verfallen, aber immer ist ihre Verbundenheit mit der jeweiligen Umgebung spürbar. (...) Bickels hat keine Architektur der großen Visionen – ob im utopischen oder dystopischen Sinne – hinterlassen. Und auch wenn seine Bauten nicht ohne Pathos sind, so stehen sie nicht für einen hegemonialen Standpunkt, sondern eher für die Perspektive einer peripheren, untergeordneten Kultur an den Rändern der Moderne. Vertreibung und Immigration haben diese Grundlagen sozialer Architektur nach Israel und Brasilien getragen. Der Film beschäftigt sich mit einer Art von Architektur, die mit der Textur des Lebens interagiert, die sich organisch an den Verlauf der Zeit und die damit verbundenen Veränderungen anpasst und auf spezielle Art und Weise altert. BICKELS [Socialism] zeichnet die Spuren der Zeit nach, zeigt die Gebäude in der heutigen Zeit, zeigt ihre Geschichte. BICKELS [Socialism] versucht nicht zu rekonstruieren, was in der Vergangenheit gewesen sein könnte. Die Gebäude tragen die Schichten der Zeit in sich: Staub, Gewalt, Dinge, die geschehen sind und ihre Spuren hinterlassen haben (...). Wie verhalten wir uns zu den kulturellen und gesellschaftlichen Formen, die diese Gebäude repräsentieren? Wir haben diese Gebäude geerbt, ihre Geschichte, ihre Vergangenheit, die Sedimente des 20. Jahrhunderts, mit ihren Träumen, Schrecknissen, Errungenschaften und Misserfolgen. Der Film nimmt uns mit auf eine Reise, zeigt uns Bilder und Töne der Gegenwart und ermöglicht es uns auf diese Weise, die Vergangenheit zu betrachten – was immer auch eine Art ist, die Zukunft in den Blick zu nehmen.

Casa do Povo

Das Casa do Povo in Sao Paulo wurde von Überlebenden des Holocaust in São Paulo, Brasilien, als jüdisches Kulturzentrum konzipiert und von Ernst Mange 1953 erbaut. Der Theaterraum wurde von Jorge Wilhelm entworfen. Getragen von sozialistischen Ideen war das Casa do Povo während der brasilianischen Diktaturherrschaft ein Zentrum des Widerstands. Heute wird das Gebäude von einer Gruppe junger Kulturschaffender renoviert und zu einem neuen Kulturzentrum wiederaufgebaut. Ihre Ziele sind, die Erinnerung an Immigration und Widerstand aufrechtzuerhalten, Innovationen für die Stadt voranzutreiben und kulturelle Praktiken für die Zukunft zu entwickeln.

Die Geschichte von Vio Nova

Der Kibbuz Tel Yosef war das Organisationszentrum der Arbeitsbataillone, einer weit verbreiteten Gemeinschaft von jüdischen Arbeitern in Palästina, die auf Zusammenarbeit und Gleichheit gegründet war. In den späten 1920er Jahren verließen ungefähr einhundert Mitglieder die Arbeitsbataillone, um in die Sowjetunion zurückzugehen. Die erste Gruppe verließ Palästina 1927 heimlich mit einem Lastwagen und einem Traktor, und die letzte Gruppe folgte 1929. Palästina stand unter „kapitalistischer“, britischer Herrschaft. Die ökonomische Situation war harsch, und die Rückwanderer meinten, dass ihre dort zurückgebliebenen Kameraden keine guten Kommunisten waren. Stalin, der den Zionismus unterdrückte, versprach ihnen einen Platz auf der Krim, und sie gingen dorthin, um eine bessere Welt aufzubauen. Weil Hebräisch in Rußland verboten war, nannten sie den neuen Kibbuz „Vio Nova“, das ist Esperanto für „Ein neuer Weg“. Sie kommunizierten weiterhin auf Hebräisch und führten ein Leben wie in Palästina, mit einer Gemeinschaftsküche, Kinderhäusern usw. Für einige Jahre war der Kibbuz erfolgreich. Stalin entsandte im Rahmen einer Propaganda-Aktion, die sich vorwiegend an die jüdische Bevölkerung richtete, Journalisten und Maler dorthin, um das Scheitern des Zionismus und den Erfolg der Sowjetunion zu proklamieren. Vier Maler haben Vio Nova 1930 und 1931 besucht. Die im Film gezeigten Bilder aus dem Ein Harod Museum wurden zu jener Zeit von Meir Axelrod gemalt und von seinem Enkel dem Museum übergeben, der in den 1990er Jahren nach Israel immigrierte. Vio Nova wurde zu unabhängig, und ein Wechsel in Stalins Politik besiegelte sein Schicksal. 1932 wurde die Gemeinschaft gezwungen, Stalins Informanten als Mitglieder zu akzeptieren. 1934 wurde der Kibbuz gezwungen, sich in eine Kolchose umzuwandeln – nicht mehr als Gemeinschaft zu wirtschaften, sondern jede Familie für sich. Die Kolchose wurde Drojba Nádorov getauft: „Brüderschaft der Nation“. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre verließen viele ehemalige Mitglieder des Arbeitsbataillons die Kolchose nach Moskau und an andere Orte in Rußland. Schätzungen zufolge wurden 30 bis 50 von ihnen verhaftet. Viele von ihnen hat man nie wiedergesehen. Als die Deutschen 1944 die Krim besetzten, verriet einer der Spitzel die letzten verbliebenen Mitglieder von Vio Nova, zwei Frauen und fünf Kinder. Sie wurden im alten Brunnen der „Brüderschaft der Nation“ ertränkt.

Credits

Buch und Regie
Heinz Emigholz
Off-Kommentar
Galia Bar Or
Kamera und Schnitt
Heinz Emigholz, Till Beckmann
Originalton
Till Beckmann
Tongestaltung
Christian Obermaier
Mischung
Jochen Jezussek
Postproduktion
Till Beckmann
Produktionsmanagement São Paulo
Mila Zacharias
Produzent_innen
Heinz Emigholz, Galia Bar Or
Produziert von
Heinz Emigholz Filmproduktion
Mit Unterstützung von
Ostrovsky Family Fund, Mishkan Museum of Art Ein Harod, Goethe Institut Tel Aviv, Ann und Ari Rosenblatt

DVD-Infos

Extras
3 Filmgespräche mit Heinz Emigholz in Afula, Israel, Berlin und São Paulo, Brasilien (190 min), Kapitel-Navigation, Presseheft, Trailer
Sprache
Englisch
Untertitel
Deutsch, Hebräisch
Ländercode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
92 min + 190 min Extras
Bildformat
16:9
Tonformat
DD 5.1 + 2.0
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 2)
Veröffentlichung
30.11.2018
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG

Kinoverleih-Infos

Verleihkopien
DCP (2K & 4K, 25 fps, 5.1)
Blu-ray Disc
Bildformat
Digital, 1.77 (1920 x 1080p)
Sprache
Englisch
Untertitel
Deutsch
Werbematerial
Trailer, A1-Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG