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Mamani in El Alto

D 2022, 95 min

Photographie und jenseits – Teil 35. Der Film zeigt zahlreiche Cholets des bolivianischen Bauingenieurs, Architekten und Begründers der neo-andinischen Architektur Freddy Mamani Silvestre.

Synopsis

Der 1971 geborene Bauingenieur und Architekt Freddy Mamani Silvestre hat in der über 4000 Meter hoch gelegenen, bolivianischen Stadt El Alto – und ausschließlich dort – seit 2008 über 60 Bauprojekte gestaltet, die den Normen einer vom Bauhaus geprägten formelhaften und mit globalem Anspruch durchgesetzten Architekturmoderne spotten.
Mamani kommt aus einfachen Verhältnissen und gehört dem Volk der Aymara an. Seine autodidaktische Architektur ist eine aus lokalen Usancen gewachsene Gegen-Utopie, die den Blick freimacht auf andere Präferenzen als Spärlichkeit und globale Stilgefolgschaft.
Der Film zeigt zahlreiche der von ihm erbauten Cholets mit ihren prachtvollen Festsälen in ihrer städtischen Umgebung. Mamani wurde zum Begründer der neo-andinischen Architektur.

Die Dreharbeiten zum Film fanden im August 2021 in Bolivien statt.

Aktuell

Festivals / Premieren
- Weltpremiere: DOK Leipzig Festival - Sektion Camera Lucida (20.10.2022)
- Österreich-Premiere: Viennale (27.10.2022)
- Argentinien-Premiere: Mar del Plata IFF (07.11.2022)
- Berlin-Premiere: Akademie der Künste (AdK) (14.01.2023)

   

Pressestimmen

Als Pionier der neoandinen Architektur sorgt Freddy Mamani Silvestre nicht nur in Bolivien für Aufsehen. Seine nonkonformen Entwürfe sind von der Kultur der Aymara, der größten Bevölkerungsgruppe des Landes geprägt, greifen ihre Mythen und Muster auf. Zwischen 2008 und 2021 errichtete Gebäude werden von Heinz Emigholz umkreist, inspiziert und in Teil 35 der fortlaufenden Serie „Photographie und jenseits“ festgehalten.
Wie riesige Juwelen ragen die Cholets in den Himmel über dem bolivianischen El Alto, in 4.000 Metern Höhe. Cholets, eine Wortschöpfung aus Chalet und Cholo, dem lokal gebräuchlichen Begriff für Indigene, sind Kreationen des Architekten Freddy Mamani Silvestre, Jahrgang 1971. Mehrere Dutzend Bauten nach seinen Plänen schmücken die sonst wenig glamouröse Stadt, deren Straßenbild vornehmlich unverputzte rote Ziegelsteine bestimmen. Mamanis gebaute Fantasien aber sind auffällig, anmaßend und kühn. Außen scheinen sich Schlangen an ihnen emporzuwinden, an den Verglasungen haften vereinzelt Diamanten, und obenauf thront gelegentlich ein eigenständiges Wohnhaus. Vor allem aber werden die Cholets für Festivitäten genutzt, denn sie beherbergen die sogenannten „salones de eventos“. Emigholz erschließt psychoaktiv wirksame Orte, die an das Innenleben eines Flippers erinnern und in ihrer selbstbewussten Pracht über die reichere Nachbarstadt La Paz triumphieren. — Carolin Weidner, DOK Leipzig 2022

Der 35. Teil von Photographie und jenseits ist Emigholz’ erster Architekturfilm, bei dem die unterschiedlichen Bauten nicht durch Texteinblendungen mit ihrem Namen und Erbauungsjahr (sowie dem konkreten Datum der filmischen Fixierung) voneinander abgehoben werden. Die Übergänge von einem Haus zum nächsten sind fließend. Wo man sich bislang darauf einstellen konnte, gemeinsam mit der Kamera gleich ein neues Raumgefüge „abzuschreiten“, geht’s nun unvermittelt im Zickzackkurs, begleitet von Straßenlärm und Hundegebell, durch die Stadt. Es ist ein weniger strenger Aufbau als sonst, was zum Spielerischen von Freddy Mamani Silvestres (*1971) Häusern passt. Sie stehen allesamt im über viertausend Meter hoch gelegenen El Alto, einer bolivianischen Andenhochland-Stadt mit zahllosen Baustellen, Schnellstraßenschneisen und einer die Bilder manchmal kreuzenden Seilbahn. — Tilman Schumacher, critic.de 2022

Preise und Festivals

- DOK Leipzig
- Viennale
- Mar del Plata IFF

Weitere Texte

Elfi Mikesch

VON BILDERN UND ÜBER DIE KUNST DES ERINNERNS

Film über Freddy Mamani Silvestres Häuser in El Alto von Heinz Emigholz

Am Fenster sehe ich durch die Scheibe den illuminierten Garten der Akademie der Künste. Plötzlich ist er da, ein goldgelber Fuchs. Neben phosphoreszierend leuchtenden Sträuchern voll Regentropfen, als aufgefädeltes Diamantenglitzern.           
Der Fuchs markiert sein Gelände durch einen kurzen hellen Strahl in das Licht und auf den Scheinwerfer. Dampf steigt hoch.

Nach dem Film sitzen wir im Foyer. In meinen Ohren klingt noch immer das Hundegebell aus dem Film, so als gäbe es eine Rückseite des Horizonts, der im Film als große Landschaft sichtbar wird und jetzt als fernes Echo aufblitzt, aus der viertausend Meter hoch liegenden Stadt El Alto in Bolivien. Ich sehe viele Hunde, meist paarweise zwischen den rötlichen Ziegelhäusern, laufend, leicht und schmal, die gefahrvollen Strassen kreuzend, vorbei an den Fassaden der Häuser, die eine Welt jenseits der Welt zeigen. Labyrinthisch, in durchsichtiger Atmosphäre. Es gibt wenige Menschen in den Strassen zu sehen. Lasten tragende Frauen in ihren weiten Röcken. Kinder. Dafür der Strom der Autos, viele Busse und es ist, als hätte an diesem Ort die Verbreitung des Corona-Virus einen eigenen Fahrplan hervor-gebracht. Die Masken, die viele der Menschen tragen, wirken als Fremdkörper oder haften als große Schmetterlinge in den Gesichtern. Geschlossene Rolläden der Geschäfte sind allgegenwärtig. Die Luft trägt Schleier aus Staub, die der Wind durch Strassen weht, Kristallwind, frostig, in weiter Ferne, schneebedeckte Gipfel. Das Ende der Welt. Unten die Asphaltbänder der Strassen, wechselnd zwischen Sand und Schotter. Staubfahnen. Das Blech der Autoschlangen, Hupkonzerte produziert Lärm ohne Stimmen. Hörbares Handwerk. Der Film folgt seinem ganz eigenen Perspektivwechseln, ein sich daraus entwickelndes Konzert, das die wechselnden Tageszeiten als Partitur beschreibt. Plötzliche und unbekannte Klänge. Wind streicht über Gräser. Zeitlos.

Den Hunden werden kleinere und größere Hütten aus Brettern und Planen gebaut, in denen sie schlafen und von Farben träumen, die es nur hier gibt. Sie träumen vom hungrigen Leben und vom Abfall, der sie nährt. Die Fassaden der großen Häuser von Mamani sind überzogen von Ornamenten, so ungewöhnlich, wie das Licht, das auf sie fällt und das sie aufflammen lässt, sie unvergesslich macht. Mamanis Häuser und die auf ihnen dargestellten Legenden verkünden, was sich in ihrem Inneren an Formen und Farben und an Erzählung überschlägt. Heinz Emigholz überlässt die Pracht erdachter Paläste und die Mythen den spiegelnden Flächen, den spielerischen Perspektiven, wie sie von Kindern geliebt werden. Die von den Decken herabhängenden korallenartigen Lüster, die gestapelten Sessel und Medaillonstühle, für die zu erwartenden Gäste. Polierte Tische, Nischen und Treppen, Fußböden und Bühnen, über einer Menge Tanzender, die da eines Tages sein werden, sie schweben zu einer verklingenden Musik, kaum noch zu hören, unsagbar schön und wehmütig. Das sind im Film Höhepunkte der Komposition, Bilder erzählen, was hier sichtbar und unsichtbar ist. Muster aus der Zeit gefallen. Die Luft als singendes Instrument. Alte Melodien und Gesänge, die Schritte der tanzenden Frauen in ihren bauschigen Röcken, sie wissen, was ihnen Berge erzählen, die Wollfäden ihrer Teppiche und die Wellen der großen Gewässer. Die Sandberge. Die Tiere und die einsamen Bäume.

In den stufenförmigen, oft geschwungenen Plafonds aus farbigen Leuchtkreiseln erscheinen und verglimmen Lichter wie Sterne. Das Verschwinden in schwarzen Löchern, Kaskaden und Lianengeflechte auf Säulen, Wegweiser in die Höhlen der Schlangenköpfe und Schuppenleiber, darüber Himmel und große Vogelschwingen, Masken und Gesichter. Symmetrien, abwärts und aufwärts - so folgt der Blick und die Kamera den Fragmenten und Spuren. Ganz oben, dem Himmel näher, verlaufen zugespitzt, pagodenartige Dächer auf kleinen Häusern mit kleineren Fenstern. Ausblicke. Landschaften mit Himmel. Drapierte Vorhängen filtern das heftige Licht. Die Augen geschützt. Stockwerke tiefer wieder größere Fenster, dunkel getönt, um dem Licht zu trotzen.

Die Luft ist dünn, in ihr schweben die Wolken, weiße Schiffe, die das Weite suchen. Am Abend, die Dämmerung besänftigt den Staub. Nun finden die Hunde ihre Ruhe, die Stadt wird malvenfarbig und die Nacht verleiht den Ornamenten neue Dimensionen, Musik als Schwingung und Erinnerung. Der Film erzählt mir von einer anderen Wirklichkeit, die eine Gabe ist und Botschaft der Menschen dort. Von der Luft die wir atmen, sie ist ein Geschenk, so auch die Erde, aus der die Häuser und Ziegel gemacht werden. Und der Künstler Freddy Mamani erzählt damit die Geschichte dieses Ortes El Alta. Und Heinz Emigholz zeigt Bilder, die ihre eigene Sprache sprechen.

6. Januar 2023

Credits

Buch und Regie
Heinz Emigholz
Kamera
Heinz Emigholz, Till Beckmann
Lokales Management Bolivien
Angel Cordero
Generelle Assistenz Bolivien
Konrad Schlaich
Originalton
Ueli Etter
Musikfetzen
Andreas Reihse
Schnitt
Till Beckmann, Heinz Emigholz
Tongestaltung und Mischung
Christian Obermaier, Jochen Jezussek
Postproduktion
Till Beckmann
Produktionsassistenz
Anna Bitter, Viviana Kammel
Produzenten
Frieder Schlaich, Irene von Alberti
Produktion
Filmgalerie 451

Dank an Freddy Mamani Silvestre, Arno Brandlhuber, Rene Callisaya, Alejandro Chino, Victor Choque, Angel Cordero, Marcelo Guardia Crespo, Lidia Rojas, Rene Rojas and all other Cholet Owners

DVD-Infos

Auf Disc 2 der DVD enthalten!
Disc 1: SCHLACHTHÄUSER DER MODERNE (Heinz Emigholz  D 2022, 80 min), Interview mit dem bolivianischen Architekten Freddy Mamani
Disc 2: MAMANI IN EL ALTO (Heinz Emigholz, D 2022, ca. 95 min), SALAMONE, PAMPA (Heinz Emigholz, D 2022, ca. 62 min), Booklet mit einem Text von Heinz Emigholz zu den drei Filmen (Deutsch / Englisch)
Sprache
Deutsch, Englisch
Untertitel
Deutsch, Englisch, Französisch 
Regionalcode
0
System
PAL, Farbe
Laufzeit
237 min
Bildformat
16:9
Tonformat
Dolby Digital 2.0 + 5.1
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 2)
Veröffentlichung
27.10.2023
FSK
12

Kinoverleih-Infos

Verleihkopien
DCP (4k, Farbe, 5.1)
Bildformat
16:9
Sprache
Kein Dialog
Werbematerial
Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG