D’Annunzios Höhle
D 2005, 52 min
15 Räume der 1921 von Gabriele D’Annunzio bezogenen und bis zu seinem Tod bewohnten Villa Cargnacco in Gardone am Gardasee.
Synopsis
Am 24. Juni 2002 fand in Gabriele D’Annuzios Villa Cargnacco eine kinematographische Jam-Session statt, in der vier befreundete Kameraleute und Filmemacher_innen (Irene von Alberti, Elfi Mikesch, Klaus Wyborny und Heinz Emigholz) in ihren jeweils sehr spezifischen Stilen die Räume der Villa Cargnacco und ihr Inventar gleichzeitig raumversetzt dokumentierten. Die Villa ist Bestandteil des Vittoriale, eines musealen Themenparks, mit dessen Gestaltung und Ausstattung D’Annunzio zusammen mit seinem Leibarchitekten Giancarlo Maroni fast zwei Jahrzehnte lang befasst war. Der Film D’ANNUNZIOS HÖHLE ist aus der Fülle des Materials heraus entstanden, das von den Filmemacher_innen aus ihrem je eigenen Blickwinkel aufgenommen wurde.
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Sprache: Englisch
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Preise und Festivals
- Berlinale Formu 2005
- Viennale 2005
- Images Film Festival Toronto 2005
- New York Film Festival 2005
- Medien und Architektur Biennale Graz 2005
Weitere Texte
Heinz Emigholz zu seinen Filmen D’ANNUNZIOS HÖHLE und GOFF IN DER WÜSTE
Anders als GOFF IN DER WÜSTE bildet D’ANNUNZIOS HÖHLE seinen Gegenstand nicht nur ab, sondern setzt ihn in den Zusammenhang politischer Monologe über Lifestyle als geschmackspolizeiliche Anstrengung. Der Grund für die sehr unterschiedliche Form der beiden Filme liegt in der Verschiedenheit der aufzuzeigenden Phänomene. Die Architektur Bruce Goffs ist klar auf eine erkennbare Anwendung und eine erfassbare Logik des Materials bezogen, die sich ohne Übersetzung am ausgeführten Werk ablesen lässt. Seine Gestaltung bezieht sich auf das Individuum und fördert einen freien, menschlichen Geist. Seine Bauwerke leben nicht von Repräsentation und repräsentieren gerade dadurch Freiheit. Man muss sie in ihren Kompositionen und in ihren Beziehungen zur Umgebung nur so genau wie möglich zeigen, um sie erfahrbar zu machen. Die von Gabriele D’Annunzio errichtete Welt besteht dagegen zum großen Teil nur aus Projektionen und Kulissen, die ohne mitgelieferte Interpretationen ihr Dasein als Gerümpel offenbaren. Er gestaltete eine Abfolge von Räumen, denen er Gefühle und Tätigkeiten per Verordnung zuwies. Durch innenarchitektonische Maßnahmen wird versucht, die ideale Umgebung für einen Schriftsteller zu erschaffen. Die Konzentration des ‚Schreibens‘ soll sich dabei in einer Sammlung von Büchern, Objekten, Kultgegenständen und Fetischen objektivieren. Wie kleine Schocks sollen diese Gegenstände den ständigen Fluss der Erinnerungen und die Aktualität von Kultur wachhalten. Sie werden zum Statthalter der Schriftstellerei. Diese Repräsentation des menschlichen Geistes ist dabei nicht als eine ‚private‘ gedacht, sondern steht für eine politische Offensive in die Welt der zu Erleuchtenden. D’Annunzios ‚Privatheit‘ wird zu einem politischen Raum und zum Propagandavehikel eines bestimmten Seins. Dieses Sein leitet sich von einer politischen Machtsphäre ab – einer eindeutigen Interpretation des Wirklichen, die sich der Gewalt verdankt und darin übergeht.
Fetische fungieren als Denk-Ersatz
(Harald Fricke im Gespräch mit Heinz Emigholz, taz Berlin, 14.02.2005)
D’Annunzio als Vorreiter des Lifestyle-Journalismus: Für seinen Film „D'Annunzios Höhle“ (Forum) besuchte Heinz Emigholz mit vier Filmteams das Haus des Dichters, um den Wahnsinn von innen spürbar zu machen. Ein Gespräch mit Heinz Emigholz über seinen Film und die Ästhetisierung des Politischen
Harald Fricke: Herr Emigholz, der Film „D’Annunzios Höhle“ trägt den Untertitel „Lifestyle als Autobiographie“. Soll damit die Eitelkeit des berühmten italienischen Schriftstellers sichtbar gemacht werden?
Heinz Emigholz: Wenn es das nur wäre. Eitelkeiten könnte man ja einfach nur ignorieren. D’Annunzio ist aber der Gründer des Lifestyle-Journalismus, und der ist heute noch oder wieder so aktuell und grauenhaft in seinen Auswirkungen wie vor dem Ersten Weltkrieg.
Neben der Höhle ist auch von „Architektur als Grab“ die Rede. Liegt es daran, dass sich D’Annunzio am Gardasee schon zu Lebzeiten ein Mausoleum eingerichtet hat?
Eine Computerstimme zitiert zu Anfang des Films Adolf Loos: „Wenn wir im Walde einen Hügel finden, sechs Schuh lang und drei Schuh breit, mit der Schaufel pyramidenförmig aufgerichtet, dann werden wir ernst, und es sagt etwas in uns: Hier liegt jemand begraben. Das ist Architektur.“ Das ist natürlich eine ironische Finesse, zu der D’Annunzio gar nicht fähig wäre. Der meinte tatsächlich, daß er die Bedeutung behält, die er sich selbst zugeschrieben hatte. Auch diesen Irrtum teilt die „moderne“ Kunst mit ihm. Wie schön, daß die Flick-Ausstellung jetzt zur Aufklärung dieses Sachverhalts beigetragen hat.
Das Haus ist für Ihr Projekt von vier verschiedenen Filmemachern in einer „Jam-Session“ dokumentiert worden. Wie kam es zu dieser Teamarbeit?
Ich hatte 1997 angefangen, die Villa auf 35mm-Film aufzunehmen, das Projekt dann aber abgebrochen, weil die räumliche Enge und die von D’Annunzio inszenierten Lichtverhältnisse, die ich dokumentieren wollte, den Einsatz der 35mm-Technik unmöglich machten. Das Haus ist heute ein Museum, und man kann nur am wöchentlichen Ruhetag drehen. Ich wußte aber, daß ich mindestens vier Drehtage benötige. Also haben wir an einem Montag im Juni 2002 einen Drehtag gemietet, sind mit vier DV-Kameras erschienen und haben gleichzeitig raumversetzt gedreht. Die Mitstreiter, Irene von Alberti, Elfi Mikesch und Klaus Wyborny, sind Filmemacher, deren Arbeit ich schätze. Dreizehn Stunden Material sind so entstanden, aus dem ich dann mit Jörg Langkau den vorliegenden Film zusammengepuzzelt habe.
Sonst benutzen Sie in Ihren Filmen oft stillstehende Bilder ohne Schwenks. Hier kriecht die Kamera förmlich in Gegenstände und Räume hinein.
„Hineinkriechen“ ist gut gesagt. Den Wahnsinn von innen spürbar machen, war die Aufgabe. Vorgabe bei diesem Film war es, die Dinge durch Kamerabewegungen miteinander zu verbinden. Wir haben nicht recherchiert, welche Bedeutungen D’Annunzio ihnen verleihen wollte, sondern uns von ihren Oberflächen leiten lassen. Durch die Kameraführung und den Einsatz von Musik entsteht eine große Nervosität. Kommt man damit dem Charakter des kokain- und heroinsüchtigen Dichters näher?
Gezeigt wird ein innerer Raum, der quasi tomografiert wird. Der Film macht vielleicht im Nebenbei klar, wozu die Macht schon immer Drogen nötig hatte. Die gestohlene und von D’Annunzio in Schichten neu arrangierte Sammlung aller möglicher Kunstobjekte wird zum ausgelagerten „Gehirn“, das seine Gedanken und Assoziationen in Form von Fetischen preisgibt. Musik und Geräusche treten nur auf, wenn sie die Story dieses Gehirns wesentlich vorantreiben.
Der Film zeigt im Haus ein Sammelsurium aus Kitsch und Reliquien, während im Garten Torpedoboote und ein Panzerschiff zu finden sind. Wieso wird D’Annunzio als Militaria-Fetischist nicht zum Thema?
Da wäre doch jeder Filmpark ergiebiger. Mich interessiert das Innere, seine Behausung, sein Lifestyle als geschmackspolizeiliche Anstrengung. D’Annunzio ist der Vorreiter einer Bewegung, in der Fetische, kultureller Diebstahl und inszenatorische Raffung als Denk-Ersatz fungieren. In jeder Generation gibt es Vertreter dieses Genres. Man wäre gerne Lenin, natürlich ganz unverbindlich, aber ein bisschen Willkürherrschaft, wenigstens auf dem Spielplatz Kunst, muß schon dabei sein. Das nennt sich dann „politische Kunst“ und ist doch nur die Ästhetisierung des Politischen. D’Annunzio ist das Urbild dieser Spezies. Unsere Promis sollten vor Scham erröten angesichts des Niveaus, auf dem er seine Verbrechen, die auch die ihren sind, vorgezeichnet und betrieben hat.
Auch der Faschismus bleibt seltsam ausgespart, nur auf der elektronischen verfremdeten Tonspur ist manchmal von D'Annunzios Herrenrassedenken die Rede.
Die Räume seiner Villa sind in meinem Film von Geistern bewohnt. Sie haben keine menschlichen Stimmen, sondern maschinelle: „Bill“ und „Christiane“ von Logox, „Girl“ und „Peedy“ von Lesefix Pro, und wie sie alle heißen. Sie übersetzen jeden Text, mit dem man sie füttert, in das mechanisch-gefühlvolle Kauderwelsch eines leidenschaftslosen Geredes. Sie führen durchs Haus, zitieren D’Annunzio, Mussolini, amerikanische Filmproduzenten, aber auch Leon Laleau und Joseph Conrad als indirekte Counterparts D’Annunzio. Die Stimmen beschreiben und verdammen, ausgespart bleibt nichts. Sie führen den Dichter und seine Inszenierungen ad absurdum.
Kann man die Ideologie des Schriftstellers von den Interieurs abkoppeln?
Nein, seine innenarchitektonischen Anstrengungen vertreten seine Ideologien adäquat. Bric-a-brac, faschistischer Ideologien-Cocktail, Rassismus, Männerbündlerei, Frauenopfer, Nationalismus, Repräsentationsgeilheit – die Mischung ist „altes“ Europa pur.
Für D’Annunzio sollte sein Anwesen „nicht fettes Erbe leblosen Reichtums, sondern nacktes Erbe unsterblichen Geistes“ sein. Haben Sie diesen Geist („der noch immer als mächtiges Symbol der italienischen Moderne gilt“ - von der Redaktion gekürzt) in der Architektur gefunden?
D’Annunzio ist kein Architekt, sondern Dekorateur, dazu unsterblich humorlos. Die so genannte Moderne besteht aus ähnlich repräsentativem Plunder wie sein Beutelager. Es bedeutet Alles und Nichts zugleich. Die futuristische Feier der Geschwindigkeit kommt bei d'Annunzio runter auf die Zurschaustellung des verbogenen Lenkrades eines Motorbootes. Es hatte sich 1930 Sir Henry Segrave in die Brust gebohrt und dabei getötet. D’Annunzio hatte Segrave überredet, mit dem dem Boot einen Geschwindigkeitsrekord einzufahren. Solche Fetische zu filmen, war ein Akt der Analyse. Ich bin froh, daß ich sie hinter mir habe.
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Credits
Buch und Regie
Heinz Emigholz
Stimmen
Logox's Bill & Christiane, Lesefix Pro's Girl, Peedy, Merlin & Genie, Loquendo's Katrin, Stefan & Simon, ScanSoft RealSpeak's Tom & Emily, 2nd Speech Center's Sidney, Stefan & Peter, Rhetorical's M027 & DFKI's DE6
Kamera
Irene von Alberti, Heinz Emigholz, Elfi Mikesch, Klaus Wyborny
Schnitt
Jörg Langkau
Tongestaltung
Frank Kruse, Matthias Schwab
Mitarbeit
Christoph Amshoff, Angela Christlieb, Dieter Brehde, Jan Witzel
Musik
Claude Debussy, Brian Eno, David Byrne
Produzent_innen
Irene von Alberti, Frieder Schlaich
Produziert von
Filmgalerie 451
In Koproduktion mit
WDR (Wilfried Reichart)
Mit Unterstützung von
MFG Filmförderung Baden-Württemberg und SWR
DVD-Infos
Extras
Filmische Jam-Session mit Irene von Alberti, Heinz Emigholz, Elfi Mikesch und Klaus Wyborny (60 min), Berlinale Premiere Gespräch mit Heinz Emigholz (nur Deutsch), Biographien, alle Räume einzeln anwählbar, Einleger
Sprache
deutsche und englische Sprachfassung
Regionalcode
Code-free
System
NTSC / Farbe
Laufzeit
52 min + 60 min Extras
Bildformat
4:3
Tonformat
DD 5.1
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 1), Einleger
Veröffentlichung
14.09.2007
FSK
Ohne Altersbeschränkung
Kinoverleih-Infos
Verleihkopien
ProRes File (HD, stereo)
Bildformat
DV, 4:3
Sprache
Englisch
Werbematerial
A1-Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
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