Schluckauf
D 1989, 92 min
Vom hässlichen Entlein zum Schwan. Roland Klick hält sich nicht bei den Klischees auf, sondern formuliert im Rekurs auf das Märchen eine Liebeserklärung an das Kino!
Synopsis
Die ersten Schritte in einer neuen Welt fallen immer schwer. Da steht sie jetzt, mit ihrem Aluminiumkoffer, in dem sie ihre Wintersachen verstaut hat, im düsteren Flur eines Berliner Altbaus und weiß nicht so recht, ob sie ihrer eigenen Courage trauen soll. Gertie aus Jübek (‚nicht Lübeck‘)“ ist dem Supermodel Chantal aus ihrem kleinen Dorf nach Berlin gefolgt, wo sie sich in ihrer aufgedonnerten Kreuzberger WG einnistet, die in ihrer Kulissenhaftigkeit das Trügerische ihrer fragilen Star-Existenz nach außen – und damit an die Oberfläche kehrt. Chantals Fassage beginnt zu bröckeln, während sich Gertie neu erfindet. „Es ist diese Verwandlungsfähigkeit, die sie nicht nur zum Mittelpunkt des Films macht, sondern zu seinem Medium und seiner Perspektive. Zu der Seele (des Kinos), vor der alles Wirkliche ‘heilig’ ist und alles ‘wirklich’, was das Kino kann.“ (Ulrich von Berg)
Pressestimmen
Die Klick typische Szene besteht nicht aus Hauptsätzen und untergeordneten Nebensätzen, die alles syntaktisch gefällig machen, sondern aus der Gleichberechtigung der Haupt- und allenfalls nebengeordneten Nebensätze. Dazwischen sind die Fugen, die allein beim Zuschauen gefüllt werden können. Klick, er hat „Schluckauf“ selbst geschrieben, ist ein Magier der Ellipse, und sein Metier ist Verkürzung des Wegs zwischen dem Bild und seinem Zuschauer: jede Auslassung ist eine Einladung, eine offene Tür zum Eintritt in den Imaginationsraum des Kinos; eine permanente Offerte an den Zuschauer, ohne den das Kino nur eine Dunkelkammer und der Film nur eine Dunkelziffer ist und ein Gerücht. (Peter W. Jansen, tip 9/92)
Daß dies ein Film von Roland Klick ist, scheint mehr als erstaunlich. Von ihm hätte man ihn kaum erwartet. Mit dem Abenteuer „Schluckauf“ scheint Klick sich selber wie durch einen Kopfsprung aus allen Zwängen des Imponieren-Wollens befreit zu haben. Der Film macht sich, wie seine Heldin, ehr kleiner als er ist; er verbirgt spielerisch, wie überlegt seine Puzzle-Strategie ist; seine Montage-Virtuosität, etwa in der Verfolgungsjagd auf der U-Bahn-Station, hat die Leichtigkeit des Gekonnten. (...) Nicht nur ein Querschläger von wunderlichem Ehrgeiz, sondern ein Vorbote. Vielleicht bekommt das Kino noch mal Lust, sich neu zu erfinden. (Urs Jenny, Der Spiegel)
Weitere Texte
Am 26. Juni 1991 befand die Vergabekommission der Filmförderungsanstalt FFA, dass Roland Klicks Film SCHLUCKAUF, den sie mit 270 000 DM bezuschusst hatte, sich „so weit unter dem erforderlichen Niveau bewege“, dass sie ihn nicht abnehmen könne und dass das einst bewilligte Darlehen zurückzuzahlen sei. Als Grund für diesen Beschluss gab das zehnköpfige Gremium an, „daß der Film unter Berücksichtigung des dramaturgischen Aufbaus, der Gestaltung, der schauspielerischen Leistung, der Kameraführung und des Bildausschnitts nicht geeignet ist, zur Verbesserung der Qualität des deutschen Films beizutragen“. Eine Zurückforderung der Fördersumme hatte es in der Geschichte der Filmförderung in Deutschland bis dato nicht gegeben. Nicht nur aus diesem Grund brachten die Beanstandungen der Förderanstalt filmpolitische Brisanz mit sich.
„Dilemma der Filmförderungsanstalt: Kann sie Produktionszuschüsse zurückverlangen, wenn ihr der fertige Film missfällt?“ fragt 1992 auch Der Spiegel, der den Präzedenzfall in einem Artikel ausführlich behandelt. Der vollständige Text „Schrott oder nicht Schrott“ kann in voller Länge hier abgerufen werden. Schließlich akzeptierte man den Film bei der FFA doch noch und sah von den Forderungen ab. Hierzu schreibt der Filmkritiker Peter W. Jansen:
Post von der FFA
Dieser Tage kam Post in die Berliner Motzstraße. Mit einer Verzögerung von zwei Monaten teilt die Filmförderungsanstalt dem Filmproduzenten Roland Klick mit, dass seinem „Widerspruch abgeholfen“ und „Schluckauf“ von der Vergabekommission abgenommen sei. 270 000 Mark hatte das bedingt rückzahlbare Darlehen betragen, und Klick hatte seit Juli 1991 damit rechnen müssen, dass die FFA, ein Präzedenzfall in der Geschichte, das Darlehen zurückfordern würde. Denn bei ihrer ersten Prüfung im Juni 1991 war die Vergabekommission zu der Erkenntnis gekommen, dass Schluckauf nicht geeignet sei, „zur Verbesserung der Qualität des deutschen Films beizutragen“. Da muss wohl die Möwe über Kreuzberg der Kommission ins Hirn geschissen haben. (tip Berlin, 1992)
Credits
Regie und Schnitt
Roland Klick
Buch
Roland Klick, Irene Findeisen
Mit
Irene Findeisen, Cathy Haase, Peter Hugo Daly, Tana Schanzara, Rüdiger Tuchel, Jean Boileau
Kamera
Henning Zick
Kameraassistenz
Michael Tötter, Till Sündermann
Zweite Kamera
Lars Barthel
Musik
Peter Jahn
Gesang
Simone Reifegerste
Zusatzmusik
Peter Viehweger
Ausstattung
Sasa Behrendt
Requisite
Hans-Detlef Feger, Irene Höfer
Maske
Alfredo Rossignolo, Detlef Pleschke
Kostüm
Hannah Sibilski
Ton
Tom Neubauer
Aufnahmeleitung
Heinz-Werner Schneider
Regieassistenz
Monika Kölling, Matthias Kunkel
Produktionsleitung
Elke Peters
Koordination
Thomas Dierks
Herstellungsleitung
Renée Gundelach
Produzent
Klaus Volkenborn, Roland Klick
Produziert von
Journal Film, Roland Klick Filmproduktion
In Zusammenarbeit mit
Laura-Film, Helke Sander Filmproduktion, Alexandra von Grote, Alma-Film, Martin Gressmann
Uraufführung (DE)
02.02.1992, Festival Max-Ophüls-Preis
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