Naomis Reise
D/Peru 2017, 92 min
Ein Justizthriller der anderen Art, der aus Verhören und Plädoyers ein ganzes Universum erschafft.
Synopsis
Naomi, 20, lebt mit ihren kleineren Geschwistern in Peru ein einfaches Leben. Nur die große Schwester lebt das scheinbare Glück, verheiratet in Deutschland. Aber dann ist sie tot, ermordet von ihrem deutschen Ehemann. Naomi ist wie betäubt. Die Mutter nach Deutschland zu begleiten, ins Land der Tat, ist das Letzte, was sie sich vorstellen kann. Und dann tut sie es doch und nimmt als Nebenklägerin am Prozess in Berlin teil.
Der auf intensiver Recherche zahlreicher Gerichtsverfahren basierende Film wirft einen genauen Blick auf die Sprache und den Ablauf eines Gerichtsverfahrens im Kontext von Heirats- und Armutsmigration. Das Gerichtspersonal in dem Film wird von echten Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern gespielt.
NAOMIS REISE basiert auf einer wahren Geschichte und bildet mit Frieder Schlaichs Filmen OTOMO und WEIL ICH SCHÖNER BIN eine Trilogie über Migration und Rassismus in Deutschland.
Streaming-Info
Der Film ist über unseren Vimeo-Kanal zum Leihen oder Kaufen erhältlich. Weitere Anbieter siehe „Film kaufen“.
Sprache: Deutsch (teilweise OmU), Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch
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Pressestimmen
Schlaich breitet das Dilemma kultureller Missverständnisse und Abhängigkeiten aus, kontrastiert Naomis Aufgewühltheit mit der kalten Sachlichkeit der Justiz. Dass der Regisseur Richter und Anwälte mit praktizierenden Juristen besetzt, sorgt für immense Glaubhaftigkeit. (Kaspar Heinrich, Tagesspiegel, 30.10.2017)
In Naomis Reise inszeniert Frieder Schlaich diese Gerichtsverhandlung und kontrastiert sie mit den aufgewühlten Emotionen der betroffenen Angehörigen: Nicht als Melodrama, sondern als Justizthriller der anderen Art, der aus Verhören und Plädoyers ein ganzes Universum erschafft. (Harald Mühlbeyer, kino-zeit, 11.2017)
Ist der Angeklagte ein Rassist, der die peruanische Ehefrau von Anfang an als Besitztum behandelte und demütigte? War die Ermordete eine Quasi-Prostituierte, die den deutschen Ehegatten nur ausnutzte? Für beide Sichtweisen treten Zeugen auf und eröffnen Einblicke in eine abgründige Sphäre zwischen Sextourismus und Heiratsmarkt, die sich im Gefälle von reichen zu armen Ländern herausgebildet hat. Der Zuschauer findet sich auf einer hochdramatischen Reise durch widerstreitende Gefühle wieder, bei der er sich seinen eigenen Ressentiments und Vorurteilen stellen muss. (Rainer Gansera, FILM DIENST, 24/2017, zur Fernsehausstrahlung im ZDF)
Preise und Festivals
- Internationale Hofer Filmtage 2017
- Internationales Filmfestival Mannheim Heidelberg 2017
- Filmfest FrauenWelten, TERRE DES FEMMES 2018
- Lateinamerika Filmtage in Hamburg 2018
- Goethe-Institut London 2018
- FOKUS: Films from Germany, Goethe-Institut UK 2018/2019
Weitere Texte
Interview mit dem Regisseur Frieder Schlaich
von Stephan Geene
Stephan Geene: „Naomis Reise“ erzählt nicht nur eine Geschichte, er behandelt auch ein großes Thema. Migration wird gegenwärtig oft als globale Schicksalsfrage gehandelt. Siehst du das auch so? Wollt ihr mit dem Film darin eine Position einnehmen.
Frieder Schlaich: Es geht nicht um Botschaft. Was ein Filmemacher tun kann, ist den Blick in andere Welten öffnen. Mir geht es eher um Beschreibung. Eine Welt zu beschreiben, in der sich Männer der privilegierten Welt Frauen aus der unterprivilegierten Welt kaufen können. Ihre Traumfrau. Eine Welt zeigen, in der das toleriert wird und durch die Hochzeit beispielsweise einen höheren Stellenwert hat als das Leben eines Geflüchteten.
Und das interessiert dich erst einmal dokumentarisch?
„Naomis Reise“ war formal freier geplant. Wir wollten in Südamerika recherchieren und dort dokumentarisch drehen und das mit den Klischees konfrontieren, die, im Gegenschnitt, im Gerichtssaal über südamerikanische Frauen ausgebreitet werden. Wie in meinen früheren Filmen entstand dann aber auch ein Wunsch nach Fiktion. Es hat dann diesen Weg genommen, auch aufgrund des Interesses der Redaktion des ZDF – Das kleine Fernsehspiel, das den Film ganz finanziert hat. Wir wollten unbedingt einen kleinen Film machen, ohne lange Finanzierungsgeschichte.
„Naomis Reise“ bildet mit „Otomo“ und „Weil ich schöner bin“ eine Art Trilogie über das Thema Migration und Rassismus. Aber alle drei Filme sind fiktional. Ich würde ja auch nicht sagen, dass dokumentarisch automatisch realer ist. Die Lust am Fiktionalen hat vielleicht auch andere Ursachen?
Eine wichtige Einsicht habe ich schon ganz früh durch eine Aussage des amerikanischen Schriftstellers Paul Bowles gehabt, vom dem wir drei Kurzgeschichten verfilmt haben. Er sagt im Kommentar einer der Filme, dass eine Geschichte, die auf mehreren Personen beruht, wahrer ist als wenn es die Geschichte eines einzelnen Menschen wäre. So war es uns wichtig, neben der Geschichte der realen Figur hinter Mariella auch andere Lebenswege zu recherchieren.
Ein dokumentarischer Ansatz scheint die Wahrheit automatisch zu verbürgen, ein so unkompliziertes Verhältnis zur Wahrheit gibt es aber nicht. Schon unser privates Leben basiert in vielerlei Hinsicht auf Fiktion; und ein Ort wie ein Gerichtssaal ist erst recht reines Theater.
Ich traue dem Dokumentarfilm auch nicht mehr als dem Spielfilm, aber ein wichtiger Punkt für uns war die genaue Darstellung der Gerichtssprache. Ich war überrascht, wie vor Gericht gesprochen wird und wie subjektiv Entscheidungen fallen können. Man schreibt das eher anderen Ländern zu, da ist die Justiz korrupt, aber hier? Was unsere Justiz betrifft sind wir sehr staatsgläubig, daran zu kratzen, genauer hinzuschauen und auch die Gerichtsabläufe zu zeigen, hat mich interessiert, weil das ja auch ein Blick in eine fremde Welt ist.
Aber heißt das für euch, Justiz als dritte Säule eines gewaltengeteilten Staates in Frage zu stellen? Gegenüber den totalitären Ambitionen von Politikern wie Trump oder Erdogan hofft man doch immer, dass Reste autonomer Judikative das einschränken können. Ist solche Unabhängigkeit für euch eine Illusion oder wie ist sie im Film verhandelt?
Unabhängigkeit gibt es schon und ich wünsche mir auch bestimmt kein amerikanisches System mit Geschworenen. Es ist eher: dass ich mir mit Geld einen guten Anwalt kaufen kann. Ein hochbezahlter Anwalt steht einem mäßig bezahlten Richter und einem möglicherweise demotivierten Staatsanwalt gegenüber. Von Rassismus, um den es in diesem Zusammenhang geht, ganz zu schweigen. Wenn sich jemand sprachlich nicht gut ausdrücken kann und dann auf die Gereiztheit eines Richters trifft, der das jeden Tag hat, ist die Ausgangssituation sehr ungleich. Mich hat vieles in den Verhandlungen erstaunt, daraus haben sich Fragen ergeben, die sich hoffentlich auch auf den Zuschauer übertragen: So läuft das also ab? Ist das wirklich so?
Ihr habt vor allem mit Leuten gearbeitet, die am Gericht arbeiten. Das hat etwas Dokumentarisches, trotzdem hat der Film eine starke Dramaturgie. Woran ist sie ausgerichtet?
Den Film mit Laien zu machen, war von Beginn an eine Bedingung, eine Bedingung an mich selbst.
Warum?
Wenn mir jemand schon als Schauspieler bekannt ist, dann fällt die Behauptung, er sei ein Richter, schnell für mich zusammen. Klar, Schauspieler_innen können sich das auch erarbeiten, aber ich will es glauben, gerade auch das Routinierte an all diesen Abläufen vor Gericht. Auch wenn nicht improvisiert wurde, wollte ich Zufälliges zulassen, ohne ständig zu fragen, ob das möglich wäre. Neben dem Richter sind auch der Verteidiger, der Staatsanwalt und die Nebenklagevertretung, echte Gerichts-Profis. Das Aufeinandertreffen der Schauspieler und Laien war dann ein Experiment.
Als Zuschauer weiß ich ja nicht, was wirklich geschehen ist, ich bin ja angewiesen auf die Aussagen vor Gericht, sie bestimmen für mich das Geschehen. Darin war ich aber einem sehr präzisen Erkenntnisprozess ausgesetzt. Ist das dramaturgisches Kalkül?
Ja, das war zunächst eine sehr ge- naue Arbeit der Drehbuchauto- rin Claudia Schaefer, und dann im Schnitt, die von Janina Herhoffer. Wenn du in eine Gerichtsverhand- lung gehst, verstehst du die Strate- gien der Beteiligten erst mal nicht, es dauert, bis man versteht, was ein Richter oder Staatsanwalt hören will, was sind die Argumente, die zählen, worauf will er oder sie hinaus? Das im Film zu verdeutlichen und zu zeigen, war uns wichtig.
Als der Richter den Angeklagten nach seinem Familienstand fragt, antwortet der: verwitwet. Das hat es sehr auf den Punkt gebracht, fand ich. – Ihr habt mit Naomis Reise aber auch ganz gezielt Kino gemacht, nicht bigger than life, aber big schon. Auch wenn es sich um Laien handelt, so werden sie doch zu Kinofiguren: Der Richter in seiner Paternalität, der aber auch den Anwalt aggressiv angeht, ihn dann aber doch nicht zum Schweigen bringt. Und dann habt ihr eben auch die Entscheidung getroffen, eine Parallelhandlung einzuführen und die vor allem ist sehr Kino. Naomi, aber auch ihre Mutter, die Freundinnen Mariellas, sie werden sehr genau beobachtet. Es sind auch viele stille Momente und die Geduld, den Figuren, vor allem Naomi, ins Gesicht zu schauen. Naomis Präsenz ist eigentlich der Film.
Bei meinen drei Filmen über Migration will ich, dass den Film auch Leute gucken, die durchaus Vorurteile haben und die dann 90 Minuten mit jemanden in einem Raum verbringen, gegen den sie vielleicht Vorbehalte hätten. In allen drei Filmen kommt man den Hauptfiguren sehr nahe. Scarlett, der Darstellerin von Naomi, ist diese Präsenz sehr gut gelungen. Bei Figuren, die nicht aktiv sein können, die in die Rolle der Passivität verdammt sind, ist das eine enorme Herausforderung. Es muss eine innere Reife entstehen und das vor allem durch Blicke.
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Credits
Regie
Frieder Schlaich
Buch
Claudia Schaefer
Mit
Scarlett Jaimes, Liliana Trujillo, Citlali Huezo, Miguel Valenzuela, Daniel Hinojo, Michael Rothbart, Christian Voss, Undine Weyers, Martin Mrosk, David Garzon Bardua, Romanus Fuhrmann, Margot Nagel, Milagros Samanamud, Jelena Kuljic, Christoph Urban, Christian Weber, Alexander Gregor, Andrea Pani Laura, Loan Ollin Hornig Hueco, André Zierd, Martha Figueroa, Flor Castillo, José Luis Gutierrez Castañeda, Carmen Campos Huamán
Casting
Katrin Vorderwülbecke
Kamera
Micaela Cajahuaringa
Erste Kameraassistenz
Florian Geyer
Zweite Kameraassistenz
Paul von Heymann
Schnitt
Janina Herhoffer
Schnittassistenz
Kolja Djassi
Musik
Martin Todsharow
Maske
Lena Brendle, Sandra Stockmeier
Szenenbild
Angela Bravo
Innenrequisite
Marlene Gartner
Kostüm
Silke Sommer
Kostümbildassistenz
Ines Casas Corvinos
Garderobiere
Sabine Thoss
Oberbeleuchter
Theo Lustig
Beleuchter
Matan Gerhovitz, Arjuna Festbaum
Ton und Sounddesign
Rainer Gerlach
Boom-Operator
Misha Bours
Mischung
Jochen Jezussek
Regieassistenz
Stefan Nickel
Aufnahmeleitung
Martin Mantel
Set-Aufnahmeleitung
Lennart Romahn
Produktionskoordination
Julia M. Müller
Produktionsleitung
Heino Herrenbrück
TEAM PERU
Casting
Jose Benites
Erste Kameraassistenz
Richard Vera
Zweite Kameraassistenz
Natalia Grande
Grip
Juan Rios
Oberbeleuchter
Enrique Apestegui
Beleuchter
Roberto Roman Peralta, Jose Martin Angulo
Ton
Amador Del Solar
Tonassistent
Mirella Bellido
Maske
Carla Davila
Kostümassistenz
Lady Ledesma
Regieassistenz
Analia Laos
Produktionsleitung
José María Navarro
ASISTENTE DE PRODUCCIÓN & EXTRAS
Luz Tamayo
ADMINISTRADOR DE PRODUCCIÓN
Natalia Castilla
ASISTENTE DE PRODUCCION
Alberto Floriano
PRODUCTORA
Enid "Pinky" Campos
Produzent_innen
Frieder Schlaich, Irene von Alberti
Produziert von
Filmgalerie 451
In Koproduktion mit
ZDF (Claudia Tronnier)
Uraufführung (DE)
Oktober 2017, Hof, Internationale Filmtage
Kinostart
13.09.2018
DVD-Infos
Extras
Outtakes, Kinotrailer
Sprache
Deutsch (teilweise OmU)
Untertitel
Englisch, Spanisch
Ländercode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
92 min + 10 min Extras
Bildformat
16:9
Tonformat
DD 2.0 + 5.1
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 1), 24-seitiges Booklet mit Interviews, Texten und Fotos zum Film
Veröffentlichung
25.01.2019
FSK
Ab 12 Jahren
Kinoverleih-Infos
Verleihkopien
DCP (2K, 25 fps, 5.1)
Blu-ray Disc
Bildformat
16:9
Sprache
Deutsch (teilweise OmU)
Untertitel
Englisch, Französisch
Werbematerial
Trailer, A1-Poster
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Ab 12 Jahren