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Pia Frankenberg

„Ich will keine Geschichte erzählen. Keine restlose Identifikation mit den Personen auf der Leinwand. Ein Wiedererkennen, ja. Aber eins, bei dem ich noch weiß, dass ich es bin, die etwas erkennt, dass ich es bin, deren Neugier geweckt wird, auf etwas mit ungewissem Ausgang, auf Personen und Zustände, Situationen, Episodisches.“

Foto: Pia Frankenberg (Mitte) bei den Dreharbeiten zu „Nie wieder schlafen“, © P.Groenewold

Pia Frankenbergs Filme spielen abseits klarer Gewissheiten. Was zählt, sind nicht die Feststellungen über unsere Welt, sondern die Welt, wie sie sich uns in ihrer chaotischen Unübersichtlichkeit zeigt. „Nie wieder schlafen“, der 1992 erschien, ist nach zwei Kurzfilmen und zwei Langfilmen ihr vorerst letzter Spielfilm, den sie als Regisseurin realisierte. Ihre Filme zeichnen sich im Rückblick dadurch aus, dass sie aus ihrer Zeit heraus erzählen, ohne sich über die Geschehnisse und Situationen, das Erleben ihrer Protagonist*innen zu erheben. Sie sind Dokumente, die durch die Reibung an den Verhältnissen eine Aktualität bewahrt haben und hierin einen ebenso persönlichen wie politischen Ansatz finden. „Der Anschlag“ (1984) ist eine Reaktion auf den filmpolitischen Eklat neuer Richtlinien für die Filmförderung, die sich 1984 Kommerz statt Kunst auf die Fahnen schrieb. Pia Frankenberg wendet in dem Film eine Aussage des damaligen Sprechers des Bundesministers des Inneren gegen sich selbst und kontert mit Umkehr ins Absurde. In „Nicht nichts ohne Dich“ (1985) tritt sie in der Rolle der Regisseurin auf die Leinwand. Die Szenen des Alltags einer Filmemacherin werden von Interviewsituationen unterbrochen, in denen sich die Regisseurin im Kino zu Fragen von weiblicher Ästhetik äußert. All zu beharrliche Anläufe, deren Essenz zu finden, lässt diese allerdings im Geiste programmatischer Unentschiedenheit auflaufen.
In „Nie wieder schlafen“ geraten drei Freundinnen in eine chaotische Odyssee durch das Berlin der Nachwendezeit. Eine Kamera wird einer von ihnen zum Medium, mit dem sie sich in Bezug setzt zu den gegenwärtigen Trümmern alter Ordnungen. Als Reflexionen mit offenen Enden, die sich als solche nicht verstecken, markieren Pia Frankenbergs Filme eine wichtige, einmalige Position im deutschen Kino. Sie sind ebenso radikal, aufmüpfig und provokant, wie leichtfüßig und urkomisch und stehen damit bis heute beinahe außer Konkurrenz.

Bei Filmgalerie 451 sind alle Filme von Pia Frankenberg in restaurierter Fassung auf DVD und on demand wiederzuentdecken.

Biografie

Pia Frankenberg studiert von 1976-1977 Schauspiel an der „Hochschule für Musik und Darstellende Kunst“ in Hamburg. Nach einem Jahr bricht sie das Studium ab und beginnt 1979 ihre Produktionstätigkeit als Koproduzentin von Luc Bondy’s Film DIE ORTLIEBSCHEN FRAUEN, im Zuge dessen sie auch die „Pia Frankenberg Musik- und Filmproduktion“ gründet. 1980 hat der Film seine Uraufführung auf der Berlinale, und die Produzenten erhalten den Bundesfilmpreis. Mit ihrem Anteil beteiligt sich Pia Frankenberg 1981 als Koproduzentin an Ulrike Ottingers Spielfilm „Freak Orlando“. Kurz nach der Gründung 1979 bis zu seiner Auflösung 1995 ist Pia Frankenberg Mitglied im „Hamburger Filmbüro“, einem Sammelbecken für unabhängige Filmemacher*innen und die erste selbstverwaltete Filmförderung Deutschlands. Begegnungen und Freundschaften mit Klaus Wyborny, Heinz Emigholz, Thomas Struck, Vlado Kristl, Helmut Herbst, Hermine Huntgegurth, Detlev Buck, Tom Tykwer, Monika Treut und vielen anderen. Ihren ersten Kurzfilm als Regisseurin realisiert sie 1981, SEHNSUCHT NACH DEM GANZ ANDEREN. In einem fahrenden Nachtzug durchsucht eine Frau (gespielt von der Zadek Schauspielerin Elisabeth Stepanek) das Gepäck der schlafenden Reisenden. Eifriges Sich-Selbst-Begreifenwollen durch das Durchstöbern des Lebens anderer. In ihrem zweiten Kurzfilm DER ANSCHLAG (1984) agiert Pia Frankenberg an der Seite von Klaus Bueb erstmals auch vor der Kamera. 1985 folgt ihr erster Spielfilm NICHT NICHTS OHNE DICH, der mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wird. Darin übernimmt Pia Frankenberg erneut neben Klaus Bueb die Hauptrolle des Films wie schon bei ihrem Kurzfilm DER ANSCHLAG und arbeitet erstmals mit dem durch seine Mitwirkung bei Filmen von Kluge, Herzog, Schroeter u.a. bekannten Kameramann Thomas Mauch zusammen. 1988 dreht sie ihren zweiten Spielfilm BRENNENDE BETTEN mit dem englischen Punk Musiker und Sänger Ian Dury in der Hauptrolle und dem langjährigen Godard-Mitarbeiter Raoul Coutard als Kameramann. Wie bei allen ihren eigenen Filmen verantwortet Pia Frankenberg auch hier Buch und Produktion des Films. Sie spielt neben Dury die Hauptrolle des Films und interpretiert mit diesem zusammen die Filmmusik. Der Film gewinnt 1988 den Publikumspreis auf dem Festival der Filmkomödien in Vevey. 1991 entsteht in Berlin im Niemandsland entlang der ehemaligen Mauergrenze der Spielfilm NIE WIEDER SCHLAFEN (mit der ehemaligen Mauch-Assistentin Judith Kaufmann als Kamerafrau und Lisa Kreuzer als eine der weiblichen Protagonisten), der sich nach der eher traditionellen, geschlossenen Erzählfom von BRENNENDE BETTEN wieder an einer fragmentarischen, sprunghaften Dramaturgie orientiert. Danach wendet sie sich verstärkt dem literarischen Schreiben zu, schreibt Romane, sowie Kolumnen für diverse Tageszeitungen und beteiligt sich mit ihrer mittlerweile zu Nextfilm umfirmierten Produktion als Koproduzentin unter anderem an Hermine Huntgeburths Film DAS TRIO (1998). 1993 eröffnet sie gemeinsam mit Doris Bandhold und Michael Conrad das Alabama Kino in Hamburg.

Vollständige Filmografie

- SEHNSUCHT NACH DEM GANZ ANDEREN, 1981, Kurzfilm, 13 Min.; 35mm; s/w; Buch, Regie, Darstellerin und Produktion
- DER ANSCHLAG, 1984, Kurzfilm, 9 Min.; 35mm; s/w; Buch, Regie, Darstellerin und Produktion
- NICHT NICHTS OHNE DICH, 1985, Spielfilm, 88 Min.; 35mm; s/w; Buch, Regie, Darstellerin und Produktion
- BRENNENDE BETTEN, 1988, Spielfilm, 83 Min.; 35mm; Farbe; Buch, Regie, Darstellerin und Produktion
- NIE WIEDER SCHLAFEN, 1992, Spielfilm, 92 Min.; 35mm; Farbe; Buch, Regie und Produktion
- DAS SYMBOL, 1995, Dokumentation zur Reichstagsverhüllung von Christo; 10 Min.; Beta, Farbe; Buch und Regie
- STREUNER, 1995, Dokumentarfilm, 31 Min.; Beta, Farbe; Buch, Regie und Ton
- ELLIOTT ERWITT – UNTER HUNDEN, 1995, Portrait des Fotografen Elliott Erwitt; 17 Min.; Beta, Farbe; Buch und Regie

Statements

Es wird wahrscheinlich nicht für möglich gehalten, dass man mit gleichem Enthusiasmus einen Kurzfilm dreht, wie einen langen, oder es ist einfach nicht bekannt, dass man welche gemacht hat. Wenn Sie aber z.B. den „Anschlag“ (Kurzfilm), „Nicht nichts ohne Dich“ und „Brennende Betten“ zusammen nehmen, dann können Sie erkennen, dass ich an einer Fortsetzungsgeschichte arbeite: Was tun? Heute, in dieser Zeit, dieser Welt, dieser Gesellschaft. Wie soll man leben und alle seine Leben unter einen Hut, in diesem Fall („Brennende Betten“) ein Dach, bringen? Da ich das nicht schaffe, mache ich neurotische Komödien daraus – die mich manchmal im übrigen selbst erstaunen. Mir wird Angst und bange, wenn ich sehe, was Gina alles will und wen sie sich vorknöpft.
Bei bestimmten Menschen, häufig Männern, habe ich den Eindruck, dass sie sich durch Scheitern erst so richtig wohl fühlen. Das trifft auf Gina überhaupt nicht zu. Sie fürchtet permanent unterzugehen in Vorurteilen und Konventionen, und hat Angst, nicht zu genügen. Aus dieser Angst heraus ergreift sie die Flucht nach vorne. Sie stürzt sich einfach in alles rein. Es klingt fast banal, daran zu erinnern, dass Komödien immer auch Filme über Ängste sind. (Pia Frankenberg im Presseheft zu „Brennende Betten“)

Filme im Programm

D 1992, 92 min

Drei Hamburger Freundinnen stranden nach einer Hochzeitsfeier im frisch wiedervereinigten Berlin. Eine rastlose Odyssee durch das...

D 1988, 83 min

Harry (Ian Dury), ein Paukist und Pyromane, der gerne mit dem Feuer spielt und Gina (Pia Frankenberg) ziehen bedingt durch äußere Umstände...

D 1985, 88 min

„Sie ist reich und will arm sein. Sie ist auf dem besten Weg, sie macht Filme.“ Entlarvendes (Gesellschafts-) Portrait – entzündet an der...

D 1984, 9 min

Eine Stadt (Hamburg) wird von einer Serie von Ohrfeigen erfasst. Pia Frankenbergs Kurzfilm beweist, dass Kino zurückschlagen kann!

D 1981 - 1992, 259 min

3 DVDs im Schuber – 3 Spielfilme und 2 Kurzfilme HD remastered + Booklet + 82 min Extras

D 1981, 13 min

Eine junge Frau auf Streifzug durch die Nacht. Im Fernverkehr sucht sie auf ungewöhnliche Weise die Nähe zum Anderen: sie beginnt, das...

Filme im Programm

D 1992, 92 min

Drei Hamburger Freundinnen stranden nach einer Hochzeitsfeier im frisch wiedervereinigten Berlin. Eine rastlose Odyssee durch das Brachland einer Großstadt, die zwischen nicht angebrochener... mehr

D 1988, 83 min

Harry (Ian Dury), ein Paukist und Pyromane, der gerne mit dem Feuer spielt und Gina (Pia Frankenberg) ziehen bedingt durch äußere Umstände (Hamburger Wohnungsnot) in dieselbe Wohnung. Pia... mehr

D 1985, 88 min

„Sie ist reich und will arm sein. Sie ist auf dem besten Weg, sie macht Filme.“ Entlarvendes (Gesellschafts-) Portrait – entzündet an der Gegenwart und in aufregendem Schwarzweiß gefilmt!

D 1984, 9 min

Eine Stadt (Hamburg) wird von einer Serie von Ohrfeigen erfasst. Pia Frankenbergs Kurzfilm beweist, dass Kino zurückschlagen kann!

D 1981 - 1992, 259 min

3 DVDs im Schuber – 3 Spielfilme und 2 Kurzfilme HD remastered + Booklet + 82 min Extras

D 1981, 13 min

Eine junge Frau auf Streifzug durch die Nacht. Im Fernverkehr sucht sie auf ungewöhnliche Weise die Nähe zum Anderen: sie beginnt, das Gepäck fremder Leute zu druchstöbern. Pia Frankenbergs erster... mehr