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Nie wieder schlafen

D 1992, 92 min

Drei Hamburger Freundinnen stranden nach einer Hochzeitsfeier im frisch wiedervereinigten Berlin. Eine rastlose Odyssee durch das Brachland einer Großstadt, die zwischen nicht angebrochener Zukunft und untoter Vergangenheit steht. — Ein einzigartiges Zeitdokument!

Synopsis

Zur Hochzeit einer Freundin auf einem Spreedampfer reisen Rita, Lilian und Roberta nach Berlin. Die unvermutete Begegnung Ritas mit einem verflossenen Geliebten erzwingt das vorzeitige Ende des feierlichen Ausflugs. Gestrandet im märkischen Sand beginnen die Freundinnen eine absichtslose Odyssee, getragen von dem Wunsch, nicht mehr in den Alltag zurückzukehren und begleitet von den Symptomen einer langsamen Verwahrlosung. Euphorisches Herumstreunen, den Zufall herausfordernd. Das Glücksgefühl der Unbehaustheit wird zum neuen Motor. Dem Auto werden die Reifen geklaut, Hotels und Pensionen sind voll. „Und was machen wir jetzt?“ – „Weitermachen!“ Sie lassen sich treiben in der Trümmerstadt, auf der Suche, eine weit ausholende Eroberung, sprunghaft und chaotisch. Dann machen sie Experimente. Sie beginnen mit der Verfolgung wildfremder Leute...

Episodisch, niemals erklärend, sondern neugierig und rückhaltlos schickt Pia Frankenberg drei Freundinnen in das Berlin der unmittelbaren Nachwendezeit. Die Mauer steht noch zum Teil, Friedrich II. wird ganz im Sinne restaurativer Kräfte aufwendig umgebettet. Alles ist in Bewegung, der Standpunkt wird in Suche aufgelöst. Ein einmaliges Zeitdokument!

Pressestimmen

Ein Film zur Lage der Nation gedreht, subjektiv und bissig, lakonisch und ohne Distanz. (…) Eine „Versuchsanordnung“ nennt Pia Frankenberg die Ausgangssituation, die sie zusammen mit ihrer Ko-Autorin Karin Åström (sie schrieb auch das Drehbuch zu Michael Kliers „Ostkreuz“) gewählt hat. Rita, Roberta und Lilian hat es an einen wüsten Ort verschlagen. Abbruch und Aufbau bestimmen den Blick, die Welt erscheint als ein einziges Brachland, und das hat in den Menschen Spuren hinterlassen; Stadtlandschaft als Entsprechung zur Seelenlandschaft. Auf ihrer Entdeckungsreise geraten die Frauen auf planierte Flächen, auf frisch Rekonstruiertes und gerade Abgerissenes. Zu dieser Wüste lässt sich keine Beziehung aufbauen. „Hier stehe ich und verhalte mich nicht“, entfährt es Roberta (Gaby Herz) angesichts eines ehemaligen Gestapo-Quartiers auf zukünftigem Mercedes-Bauland. Der Satz, ein bisschen zu wertvoll und die Grenze zum Kitsch überschreitend, bezeichnet das Lebensgefühl der drei Frauen. Er definiert nicht nur die Beziehung zum historischen Ort, sondern kommentiert auch das Verhältnis der Freundinnen untereinander. Rita, Roberta und Lilian kennen sich gut, und doch ist eine Fremdheit zwischen ihnen, die sie nicht zueinanderkommen lässt. Lisa Kreuzer, die Wenders-Heldin aus dessen besseren Tagen, Gabi Herz und Christiane Carstens spielen dieses gegensätzliche Trio, das sich versteht und doch wieder nicht, mit spontaner Kraft und lakonischem Humor. Die Gratwanderung zwischen Kitsch und Kunst meistern sie mit Mut zum schauspielerischen Risiko. Als vorgebliche Reporterinnen befragen sie Passanten, und die Inszenierung wird unversehens zur Dokumentation. Diesem Spannungsfeld ist auch die Kamerafrau Judith Kaufmann ausgesetzt. Mit einem sicheren Gespür für Situationen führt sie in ihrem Debütfilm die Handkamera, lässt Raum, ohne Details zu übersehen. Ihr Berlin ist ein fremder Ort, einer, an dem man noch nie war und wo man doch vieles wiedererkennt. Fremdheit und Nähe und beides in einem – sie findet den Ausdruck für die Atmosphäre, die diesen Film prägt. — Szene Hamburg, 12/92

So leicht und fragmentarisch sich Pia Frankenbergs neuer Film gibt, so genau ist er geplant, ist das Drehbuch von Frankenberg und Åström („Ostkreuz“) konzipiert. Zum Beispiel diese drei Freundinnen. Man sieht, die kennen sich seit Jahren, alles Grundsätzliche ist längst und oft gesagt; hinter jedem Blick, jedem lakonisch gebrummelten Wort steckt eine lange gemeinsame Geschichte. Oder das Trio in Berlin Mitte und Kreuzberg und Tiergarten. Sie suchen nichts, sie sind einfach da, fraglos und lapidar. Drei Figuren in einer Choreografie der präzisen Beiläufigkeit. Die unaufdringliche Kamera von Judith Kaufmann bestimmt dabei den offenen epischen Duktus, setzt souverän die Akzente von Nähe und Distanz — unter den dreien und zu uns. (…) „Nie wieder schlafen“ ist kluges, kompliziertes, anderes Kino, es verlangt eine Offenheit für seine ungewohnte, unbequeme Form. Der Film wird es schwer haben bei deutschen Zuschauern und Kritikern, die nur noch gut finden, was aus dem Ausland kommt. — Wolf Donner, Tip Berlin 25/92

‚Wenn jemand im Kino abgerundete Geschichten sucht oder vorgefasste Meinungen, dann ist er bei diesem Film natürlich falsch. Wer als Zuschauer keine Lust auf Auseinandersetzung hat oder darauf, eigenes Interesse zu entwickeln, der wird meinen Film nicht mögen. Wer aber das sucht — und dabei ebenso nachdenklich wie auch komödiantisch unterhalten sein will, der wird den Film mögen. Und für eine Filmlänge dürfte man sich ruhig auf einen veränderten Blick einstellen. Kino muss sowieso über das Ende hinaus weitergehen.‘ (Pia Frankenberg)
„Nie wieder schlafen“ nennt Pia Frankenberg ihren Film, die Geschichte von drei Freundinnen, die einige Tage zusammen in Berlin verbringen. Ein Film, der irgendwann aufhört, der aber ebensogut auch noch weitergehen könnte — auch in den Köpfen seiner Zuschauer. Pia Frankenberg betont, dass sie ihre Filmcharaktere nicht mit abgeschlossenen und vorgefassten Persönlichkeitsstrukturen belegen, sondern ihnen alle Offenheit lassen will, die möglich ist. ‚Ich habe zwar genau nach einem Drehbuch gearbeitet, aber ich habe auch die Persönlichkeiten meiner Darstellerinnen mit einfließen lassen. Ich denke schon, dass für einen solchen Film die Persönlichkeiten der Schauspielerinnen in ihre Rolle eingebracht werden sollten. Dann ist es ihnen auch leichter, die eine oder ander Situation zu spielen.‘ (PF) Lisa Kreuzer stand als Darstellerin von Anbeginn an fest, ‚weil ich sie anders zeigen wollte, als sie bisher zu sehen war — mit ihrem Witz und Sarkasmus, ihrer Stärke und auch von ihrer melancholischen Seite.‘ (PF) Als sogenannten Frauenfilm will Pia Frankenberg „Nie wieder schlafen“ nicht verstanden wissen. ‚Ich bin von keinem dieser sogenannten Frauenfilme, die es gibt, in irgendeiner Weise überzeugt. (…) Ich hatte Lust auf eine Art Road-Movie mit Frauen, und wollte auch Berlin besonders einbringen, die Veränderungen der Stadt im Spätsommer 1991. Deshalb habe ich auch einige dokumentarische Szenen — wie die Umbettung Friedrichs des Großen — in den Film integriert. Aber auch das Festhalten der Zeit war mir wichtig, in der dieser Film spielt. Es sollte ein Zeitbarometer entstehen, ein Deutschland-Bild mit allen seinen Widersprüchen, die sich auch in den Menschen spiegeln, die in diesem Land leben.‘ (PF) — Bernd Lubowski, Berliner Morgenpost, 03.12.1992

Ein lockerer „Straßenfilm“, der seine Episoden ohne bedeutungsschwangere Inszenierung erzählt; mit ironischer Neugier und in kecken Charakterporträts. Sehnsüchte und Ängste werden spürbar durch kleine Gesten und in originellen, scheinbar zufälligen Momentaufnahmen zwischen Clownerie und Krise. Überdrehte, witzige oder einfach nur sensibilisierte Unterhaltung — ein erfrischend gespieltes Psycho-Puzzle über moderne Zeiten und „dieses Prickeln auf meinem Kopf“. — Frankfurter Neue Presse, 09.01.1993

Ein Plädoyer für den schweifenden Blick. — Der Spiegel

In Road Movies brechen Figuren zu neuen Ufern auf, weil sie in ihrem Leben festgefahren sind. In der Regel steigen die Protagonisten dafür ins Auto und müssen so weit wie möglich wegfahren und in der Fremde verlieren, um ganz bei sich anzukommen. Dabei sind es in der Regel Männer, die sich auf den Weg machen. Als sei das ein geschlechts-spezifischer Atavismus, ein männliches Ur-Gen, wie wir es aus dem Western kennen, wo der Cowboy in die einsame Pärie reitet. Nur dass er diese Reise beim Road Movie mit ein paar PS mehr antritt. „Nie wieder schlafen“ von Pia Frankenberg ist ein kompletter Gegenentwurf zu diesem Genre. Hier sind es drei Frauen, die aus ihrem Alltag ausbrechen. Aber ihr Wagen bleibt liegen, sie gehen einfach so drauf los: ein Road Movie zu Fuß. Und dabei ziehen sie nicht genreüblich durch weite, einsame Landschaften, sondern durch eine riesige Stadt: Berlin. Und die ist im Sommer 1991, als der Film gedreht wurde, kurz nach Mauerfall und Wiedervereinigung, ebenfalls im Um- und Aufbruch. (...) Wie ihre Protagonistinnen ließ sich auch die Regisseurin durch die Stadt im Umbruch treiben. Und nahm sie mit dem interessierten Blick von außen ein. Mit ihrer Kamerafrau Judith Kaufmann fuhr sie auf dem Fahrrad durch die Stadt, um Schauplätze zu finden, und so ist der Film denn auch entstanden: als Wechselwirkung zwischen der Entwicklung der Figuren und der Aura der Locations. Auch das Festhalten der Zeit war Frankenberg dabei wichtig. Ein Zeitbarometer, ein Deutschland-Bild mit all seinen Widersprüchen sollte ihr Film werden. Dass ihre drei Protagonistinnen am Ende auf dem Alexanderplatz stehen, unter der Weltzeituhr, wurde damals teils als Klischee kritisiert. Dabei bringt es diesen schön unorthodoxen mäandernden Film am Ende nur auf den Punkt: als Zeit-Bild. — Peter Zander, Berliner Morgenpost, 27.02.2020

„Nie wieder schlafen“ nimmt den Filmtitel konsequent ernst, die Aufputschmittel kommen alle aus einer Überflutung mit Wirklichkeit: Die offene Stadt Berlin findet sich hier auf eine Weise dokumentiert, die jede Erzählhandlung in den Hintergrund rückt. Zugleich finden sich bei Frankenberg zentrale Positionen des westdeutschen Frauenfilms wieder: das Performative bei Ulrike Ottinger (...) und das Urban-Ethnographische bei Helke Sander. — Bert Rebhandl, 11.02.2019

Pia Frankenbergs bislang letzter Film, da sich die Regisseurin seither auf die Schriftstellerei konzentriert hat, zählt zu den Trouvaillen des Programms. Expliziter noch als die bekannten Titel aus westdeutscher Produktion – Ula Stöckls „Neun Leben hat die Katze“ und May Spils „Zur Sache Schätzchen“ (beide 1968) oder „Die bleierne Zeit“ (1981) von Margarethe von Trotta zeigt „Nie wieder schlafen“ Frauen, die sich Freiheiten nehmen, außerehelichen Sex haben, Männerkulte kommentierten (...) und Rollenmuster umkehren. So stalken Lilian und Roberta in einer Film-Noir-Travestie einen Unbekannten, bis sie feststellen, dass sie einen Langweiler mit einer befremdlichen Geschichte durch halb Berlin verfolgt haben. — Iens Hinrichsen, Film Dienst, 04.02.2019

Pia Frankenbergs „Nie wieder schlafen“ ist so schön, weil der Film so offen ist in jede Richtung, weil die drei Frauen, die da durch Berlin driften, so neugierig sind auf das, was passieren könnte. Und die Stadt liefert dafür eine wunderschöne Kulisse. Viel Handkamera von Judith Kaufmann, aber keine verwackelte, sondern eine, die sich verliebt in die Gesichter und Orte, die sich für das Nicht-Geschehen interessiert. Selbst der Alexanderplatz sieht da aufregend aus. — Franz Müller, Revolver, 13.04.2019

Preise und Festivals

- Filmfest München 1992
- Internationale Filmfestspiele Berlin, Retrospektive 2019

Weitere Texte

Auszug aus einem Interview mit Pia Frankenberg zum Erscheinen ihres Films „Nie wieder schlafen“
Aus Hamburger Abendblatt 5./6.12.1992

Sie sind etwas verschroben, eine Spur verrückt und gleichzeitig auch angenehm alltäglich — Pia Frankenbergs Figuren sind niemals eindimensional. Nach „Nicht nichts ohne dich“ und der Komödie „Brennende Betten“ legt die Regisseurin jetzt einen neuen Film vor: „Nie wieder schlafen“. Der Titel ist durchaus programmatisch gemeint: Drei Frauen stromern völlig übernächtigt durch das wiedervereinigte Berlin, amüsieren sich und fallen sich auf die Nerven. Anders als in ihren ersten beiden Filmen spielt Pia Frankenberg dieses Mal nicht mit. Franziska Wolffheim sprach mit der 35jährigen, die in einem Moment betörend lächelt und im nächsten entschieden, manchmal auch harsch ihre Prinzipien darlegt.

Drei Frauen fahren nach Berlin, um ihren Alltag zu entgehen und sich zu vergnügen. Sind das denn nun die Frauen der neunziger Jahre?

Pia Frankenberg: Ehrlich gesagt interessiert mich das einen feuchten Kehricht. Ich wollte Frauen zeigen, die so noch nicht dargestellt worden sind: in aller Zersplitterung, Ratlosigkeit, in ihrem manchmal verzweifelten Witz. Mich interessierte, wie sich Frauen innerhalb einer Freundschaft verhalten.

Allerdings unter der Voraussetzung, dass all drei vollkommen übernächtigt sind…

Ja, und von solchen durchwehten Nächten geht ja auch etwas Quälendes aus. Die drei Frauen sind richtig amüsierwütig, und das hat etwas Peinliches. Aber ich empfinde eine Art schmerzhaftes Vergnügen dabei, so etwas zu sehen. (lacht) Das ist vielleicht eine masochistische Ader.

Im Gegensatz zu „Brennende Betten“ ist der neue Film episodisch, hat keinen strengen erzählerischen Bogen. Warum?

Jeder kennt so eine durchwachte Nacht, das kann sehr sprunghaft und spontan sein — dieser inneren Kausalität wollte ich folgen und habe langsamer erzählt als in anderen Produktionen. Der Film ist auch komplexer als „Brennende Betten“.

Und er ist auch schwer zu verdauen. Der neue Film enthält ja auch viel Melancholie.

Ich will nicht, dass man aus dem Kino rausgeht und nur das Gefühl hat: Ich hab’ mich gut amüsiert. Natürlich amüsiere ich mich gerne gut im Kino — keine Missverständnisse! Aber auch Melancholie und Depression gehören zum Leben.

Warum schicken Sie die Figuren nach Berlin? Ihre ersten beiden Filme spielen in Hamburg.

Hier wollte ich einmal das Berlin im Spätsommer 1991 zeigen — das war so eine Art ruhendes Minenfeld: Es gab viele Ideen, aber kaum etwas davon war umgesetzt. Diesen besonderen Zustand habe ich mit einer weiteren Ausnahmesituation, der Reise der drei Frauen, konfrontiert.

Eine Szene spielt auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände; gegenüber ist das Treuhand-Gebäude. Roberta weiß nicht, wie sie sich verhalten soll und ruft trotzig: „Hier stehe ich und verhalte mich nicht.“ Kann man sich denn so der Geschichte entziehen?

Nein; das ist ironisch gemeint. Ich möchte, dass sich die Leute verhalten, immer und überall. Man kann sich nicht entziehen. Das trifft doch gerade in der jetzigen politischen Situation in Deutschland absolut zu.

Wären die Angriffe auf Ausländer auch als Stoff für einen neuen Film denkbar?

Nein, ich verwende meine Kraft lieber darauf, in der Wirklichkeit konkrete Sachen zu organisieren als Filme darüber zu machen. Jedenfalls geht es mir sehr zu Herzen, wenn ausländische Freunde von mir Nachts nicht mehr alleine auf die Straße gehen.

Manchmal werden Sie für cool gehalten. Trifft das zu?

Überhaupt nicht.

Und wie komme es zu diesem Eindruck?

Ich kann manchmal sehr scharfe Positionen vertreten — ich mag nämlich nichts Laues —, aber das hat nichts mit cool oder arrogant zu tun.
 

Statement der Regisseurin Pia Frankenberg
Ausschnitte aus dem Presseheft zum Film

Drehbuch ohne Geschichte
Ich will keine Geschichte erzählen. Keine restlose Identifikation mit den Personen auf der Leinwand. Ein Wiedererkennen, ja. Aber eins, bei dem ich noch weiß, dass ich es bin, deren Neugier geweckt wird, auf etwas mit ungewissem Ausgang, auf Personen und Zustände, Situationen, Episodisches. Mich an Menschen wenden, die sich für das gleiche interessieren wie ich: Anfänge, Ausprobieren, neue Gesichter, alte Gesichter aber in neuem Erscheinen. Brüche und Verwirrung, Sinnlichkeit, mit Kitzel des Intellekts Fragen stellen, die auch andere interessieren und als Antwort eine Versuchsanordnung.
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es die drei Charaktere des Films zerstören würde, sobald ich anfinge, sie in ein vorgegebenes dramaturgisches Korsett zu zwingen. Die Autorin Karin Åström und ich schrieben also ein Drehbuch mit einer offenen Dramaturgie.

Die Frauen hinter der Kamera
Experimente wollte ich machen. Wildfremden Menschen folgen und sie nach ihrem Leben fragen, ohne den Ausgang der Sache zu kennen. Und da habe ich mir andere gesucht, die mitgehen wollen.
Mit neuen Leuten Arbeiten: Karin Åström, Drehbuchautorin von „Ostkreuz“. Ich lernte sie über Michael Klier kennen, wir verstehen uns, fangen an zu schreiben. Karin liebt es, sich in herrlich gemeiner Weise über die Schrecklichkeiten zu amüsieren, die Menschen in ihrem Alltag begegnen. So jemand hatte ich lange gesucht.
Judith Kaufmann kanne ich seit zehn Jahren, ich machte Continuity und sie Materialassistenz. Bei meinem Kurzfilm „Der Anschlag“ ist sie dabei, bei „Nicht nichts ohne Dich“ mache ich meine erste Spielfilmregie und sie ihre erste 35mm Assistenz. Wir schwitzen gemeinsam. Diesmal macht sie Kamera.

Ein Zwischendurchfilm
Einen schnellen Film machen, ohne Geschichte, wie das Leben in einem bestimmten Augenblick. Von der Wirklichkeit berichten. Außen: Deutschland, Berlin. Innen: Das eigene Geschlecht. Zusammen: ein subjektives Experiment. Ein Film über Freundschaft und was das eigentlich ist. Was machen die so, wenn sie allein sind, ohne Männer? Was mache ich denn? Also fange ich einfach mal da an... Das wird jedenfalls keine Schnulze, nichts fürs Herz. Ich hatte Lust, einen Film zu machen, bei dem die Menschen (Männer auch) sich nicht besinnungslos identifizieren und ihr Ich verlieren beim Zuschauen, sondern das Gegenteil, sich wiedererkennen, ganz oder teilweise, oder auch nur etwas erkennen, ein Stück Verwirrung, Albernheit, Sehnsucht, Lebensgefühl. Ich möchte immer Filme machen, die den Zuschauer einladen teilzunehmen, deren ‘Geschichte’ nicht zu Ende ist, wenn man das Kino verlässt, sondern die Welt da draußen immer etwas neu aussehen lässt.

Die Frauen vor der Kamera
Die Schauspieler finden, das Schwierigste. Ich war der Überzeugung, dass die drei Darstellerinnen es schaffen müssten, einen Ton miteinander zu finden, der sie glaubwürdig als langjährige Freundinnen erscheinen ließe, mit allen positiven und negativen Seiten. Sie sollten Humor haben, dieselbe Art von Humor. Außerdem wollte ich eine ‘undeutsche Leichtigkeit’, besonders bei der Figur der Roberta. Der Charakter ist auf liebenswürdige Weise exzentrisch, eine Eigenschaft, die in Deutschland entweder nicht gern gesehen oder gar nicht erst vorhanden ist. Und alle drei Schauspielerinnen mussten unbedingt bereit sein, eingefahrene Gleise sogenannter Schauspielkunst zu verlassen. Es kam mir nicht so sehr darauf an, dass sie ‘gut’ waren, d.h. erkennbar virtuos spielten, sondern sie sollten möglichst authentisch sein. Solche Schauspielerinnen habe ich gesucht.
Und ich habe sie gefunden: Den Charme, die Verrücktheit und die Leichtigkeit von Gaby Herz, den trockenen, lakonischen Witz und die Neugier von Christiane Carstens und die Wärme und die bissige Traurigkeit von Lisa Kreuzer.

Credits

Regie
Pia Frankenberg
Buch
Pia Frankenberg, Karin Åström
Mit
Lisa Kreuzer, Gabi Herz, Christiane Carstens, Ernst Stötzner, Michael Altmann, Leonard Lansink, Peter Lohmeyer, Klaus Bueb, Thomas Struck 
Kamera
Judith Kaufmann
Schnitt
Raimund Barthelmes
Musik
Loek Dikker
Ausstattung
Uli Fischer
Kostüm
Irmgard Kersting
Maske
Hasso v. Hugo, Christine Atar
Produzentin
Pia Frankenberg
Produktion
Pia Frankenberg Musik- und Filmproduktion
Uraufführung (DE):
1992, Filmfest München
Kinostart (DE):
Dezember 1992

DVD-Infos

PIA FRANKENBERG - FILME
DVD-Box mit den restaurierten Fassungen der drei Spielfilme „Nicht nichts ohne Dich“ (1985, 87 min), „Brennende Betten“ (1988, 83 min), „Nie wieder schlafen“ (1992, 92 min) und der zwei Kurzfilme „Sehnsucht nach dem ganz Anderen“ (1981, 13 min) und „Der Anschlag“ (1984, 9 min).
Extras
Drehort-Touren (Hamburg und Berlin) mit Pia Frankenberg, Original-Kinotrailer, Booklet (12 Seiten)
Sprache 
Deutsch
Untertitel
Englisch, Französisch 
Regionalcode
0
System
PAL, Farbe + S/W
Laufzeit
259 min + 82 min Extras
Bildformat
16:9
Tonformat
Dolby Digital 2.0
Inhalt
3 DVDs (Slimboxen) im Pappschuber, 1 Booklet
Veröffentlichung
14.12.2023
FSK
12

Kinoverleih-Infos

Deutscher Kinoverleih
Deutsche Kinemathek