Irene von Alberti ist Regisseurin und Produzentin und lebt in Berlin. Als Mitbegründerin der Filmgalerie 451 bietet sie künstlerischen Filmen eine Plattform, die formal und inhaltlich ungewöhnlich und mutig sind.
Irene von Albertis Filme kreieren ein weibliches, kollektives Kino in dem Realität und Fiktion verschmelzen. Sie loten stets die Bezüge und Beziehungen zwischen fiktionaler Welt und Gesellschaft aus, begeben sich in ein bewusstes Spiel mit ihnen, um am Ende bei einem anderen Blick, aber nicht bei abgeklärten Wahrheiten zu landen.
Seit Beginn ihres Filmschaffens realisiert sie immer wieder Filme im Kollektiv. „Paul Bowles – Halbmond“ eine episodische Verfilmung dreier Kurzgeschichten des amerikanischen Schriftstellers Paul Bowles, drehte sie 1995 gemeinsam mit Frieder Schlaich an Originalschauplätzen in Marokko.
Inspiriert von René Polleschs im Prater der Volksbühne inszeniertem Theaterstück „Stadt als Beute“ entstand 2005 mit den Berliner Regisseurinnen Miriam Dehne und Esther Gronenborn der gleichnamigen Omnibusfilm. Die im Prater gefilmten Theaterproben mit René Pollesch und seinem Ensemble verbinden die drei Episoden. In diesen agieren drei Filmschauspieler*innen, die das Stück und Polleschs Entfremdungsthesen auf die Straßen Berlins bringen und ihre privaten Geschichten auf die Probebühne. Wo endet das Theater und wo hört es auf? Diese Frage könnte auch für die Filme von Irene von Alberti gelten, die stets über sich hinausweisen, nicht in der Fiktion verbleiben, sondern sich mit aktuellen Themen beschäftigen, die auch über den Kinobesuch hinaus noch bewegen.
TANGERINE führte sie 2008 erneut nach Marokko. Der Film spielt in Tanger, wo sich Pia, eine deutsche Musikerin, ihr Freund und Amira anfreunden, welche in einer Wohnung von marokkanischen Prostituierten Unterschlupf gefunden hat. Weniger die Erzählung einer Dreiecksbeziehung steht hier im Mittelpunkt, als Fragen nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft.
Eine ähnliche Positionsbestimmung aus dem unberechenbaren Chaos des gelebten Lebens heraus, versuchen auch die Protagonistinnen von DER LANGE SOMMER DER THEORIE (2017). Ursprünglich als Fortsetzung von dem Episodenfilm STADT ALS BEUTE geplant, spielt DER LANGE SOMMER wieder in Berlin und ist vom gleichnamigen Buch von Philipp Felsch inspiriert. Dieser wird im Film von Nola interviewt, einer der Protagonistinnen, die mit zwei Freundinnen in einer von Abriss und Immobilienspekulation bedrohten Wohnung lebt. Neben Felsch lässt der Film auch andere Soziolog*innen, Historiker*innen, Kulturschaffende und Theoretiker*innen zu Wort kommen, wie Rahel Jaeggi, Jutta Allmendinger oder Boris Groys. Zwischen dokumentarischer Form und fiktionalem Großstadtdrama, findet der Film mitten im Wasteland von Europa City einen ebenso unbeschwerten, wie suchenden Zugang zu unserer Gegenwart.
In Zeiten, in denen die Rede über den Tod des Kinos nicht abbricht, zeigen Irene von Albertis Filme, dass das Kino noch immer Dialogpartner sein kann und dass es uns zur Auseinandersetzung mit unserer Welt auffordert. DIE GESCHÜTZTEN MÄNNER, ihr neuester Film, der sich zur Zeit in Postproduktion befindet, wird diese Aufforderung mit großer Sicherheit erneuern.