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Eine flexible Frau

D 2010, 97 min

John Cassavetes A WOMAN UNDER THE INFLUENCE im 21. Jahrhundert.

Synopsis

Greta M. (Mira Partecke), 40, eine Frau in Berlin mit einer postmodernen, brüchigen Architektinnenbiografie, verliert ihren Job. Auch im Callcenter wird sie gefeuert. Wie Don Quichotte kämpft sie gegen unheimliche Mächte an: ihren Sohn, die gefährliche Mutterschaft, den Bewerbungscoach, die verhinderte Architektur des neuen Berlins (Townhäuser, Humboldtforum, soziale Stadtgrenzen) und nicht zuletzt gegen die eigene Paranoia und Statusangst, eine Frau ohne Auftrag zu sein. Sie trinkt und driftet zwischen Anpassung und Widerspruch durch ihr Leben. Auf dieser Tour de Force zwischen Callcenter, Arbeitssuche, Jobcenter, Coach, Architekturbüros, Schule, Kneipen und Drifts durch Stadtrandgebiete trifft sie auf die „Stadt der Frauen“. Der Film zeigt präzise ein Zeit- und Gesellschaftsbild, ohne mit den Konventionen des sozialen Realismus zu arbeiten.

EINE FLEXIBLE FRAU ist der erste Teil von Tatjana Turanskyjs „Frauen und Arbeit“-Trilogie.

Streaming-Info

Der Film ist über unseren Vimeo-Kanal zum Leihen oder Kaufen erhältlich. Weitere Anbieter siehe „Film kaufen“.
Sprache: Deutsch, Untertitel: Englisch

Pressestimmen

Turanskyjs arbeitslose Architektin bewegt sich durch ein Berlin, das sich städtebaulich massiv verwandelt: Gentrifizierung hat bereits stattgefunden, jetzt wird die Stadt verortet mit abgezirkelten Vorgärten, Privatstraßen und Town-Houses. (…) Für die Entortung des urbanen Raums findet Turanskyj eine fragmentarische, essayistische Form, die sich gerade so erst zu einem Ganzen fügen kann und den Blick auf die Emotionen der losgelösten Persönlichkeit frei räumt. (...) Witzig sind die Verknüpfungen von Disparatem, die bizarren Situationen, in die Greta auf ihrer ziellosen Architektenreise durch die Stadt gerät. – Julia Teichmann, Filmdienst, 6/2010

„Was können Sie gut?“, wird Greta Mondo (Mira Partecke) von einer Frau gefragt, die ihr bei der Selbstvermarktung für einen neuen Job helfen soll. „Trinken“, antwortet Greta und stellt sich damit auch ein wenig in eine Berliner feministische Filmtradition (Ulrike Ottinger, aber auch Helke Sander). In die Erfahrungen von Greta fließen viele der Debatten ein, die in der kritischen Intelligenz der Stadt in den letzten Jahren eine Rolle gespielt haben (und die im abgerissenen Palast der Republik einen Topos fanden, der in „Eine flexible Frau“ ausdrücklich eine Rolle spielt). – Bert Rebhandl, Tip Berlin, 02/2010

Als Versuch, für die aktuelle Seins- und Bewusstseinslage des akademischen Prekariats eine angemessene filmische Form zu finden, ist EINE FLEXIBLE FRAU einer der interessantesten Ansätze der letzten Zeit. – Silvia Hallensleben, epd Film, 1/2011

Der Neue Deutsche Film? Dieses Jahr lief Eine flexible Frau im Forum der Berlinale. Nix mehr mit »alter« Berliner Schule. Die sprachen nicht, die schauten nur. Turanskyj lehrt uns das Sprechen, und wir beginnen das Schreien. Wir lehnen uns auf, kritisieren. Sie stellt die Fragen. Welche Rolle spielt Arbeit? Lohnarbeit? Freundesarbeit? Familienarbeit? Wir ertränken sie. Wir benebeln uns. – Noch 'n Herrengedeck! – Weil wir selbst keine Antworten haben. Weil wir sie in der Vergangenheit suchen. Und zu oft finden. – Für mich auch! – Ein Funke für den Moment. Auf die Zukunft! Ex! – Christian Lailach, Schnitt, 04.2010

Greta auf Partys, im Callcenter, beim Bewerbungs-Coach, mit ihrem Sohn, mit Exkollegen, im Jobcenter, in Kneipen, bei Stadtspaziergängen. Kämpferisch, hysterisch, eigensinnig, wie in Trance, widerspenstig, hemmungslos, überschwänglich und todtraurig. Situationen, Begegnungen, Performances. Mehr Trip als Plot. Momentaufnahmen einer zeitgenössischen, brüchigen weiblichen (Arbeits-)Biografie. Eine flexible Frau als allseitig reduzierte Persönlichkeit. –  Birgit Kohler, Forum - Berlinale

Preise und Festivals

- Berlinale - Forum 2010
- Fimfestival de Cannes 2010 - L'ACID (L'Association du cinéma indépendant pour sa diffusion)
- Crossing Europe Linz - Wettbewerb 2010
- Internationales FrauenFilmFestival Köln Dortmund - Wettbewerb 2010
- Achtung Berlin, Berlin - Wettbewerb 2010
- Filmkunstfestival Schwerin 2010
- Neisse-Filmfestival, Zittau - Wettbewerb 2010
- Fünf-Seen-Film-Festival, Starnberg - Wettbewerb 2010
- Frauenfilmtage Wien 2010
- 39. Festival du nouveau cinema, Montreal 2010
- Elles tournent, Frauenfilmfestival Brüssel 2010
- Oldenburg International Filmfestival / Wettbewerb 2010
- 34th Göteborg International Film Festival 2011
- 23. Sguardi Altrove Film Festival, Mailand 2011 - Bester Spielfilm
- Kino Arsenal des Arsenal – Institut für Film und Videokunst - Werkschau Tatjana Turanskyj 2021

Weitere Texte

Die erste Inspiration für meinen Film war Richard Sennets Buch „Der flexible Mensch“. Sennet beschreibt die harten Veränderungsanforderungen des postmodernen Kapitalismus an das Individuum. Diese Grundtatsache aktueller gesellschaftlicher Entwicklung wollte ich mit der speziellen Situation von Frauen verknüpfen und die Frage aufwerfen, in wieweit das propagierte Bild der „modernen emanzipierten Frau“ nichts weiter ist als eine Affirmation an den derzeitigen Status Quo, eine „konservative Emanzipation“. Den eher affirmativen Frauenfiguren – der Stadt der Frauen - steht meine Heldin gegenüber. Sie ist eine Kritikerin und Zweiflerin, die vergeblich versucht, sich den Verhältnissen anzupassen, ohne dabei ihre Autonomie und Würde zu verlieren. Ihr wird aber deutlich gemacht, dass dies so nicht mehr zu schaffen ist – der Preis der Anpassung wäre die Aufgabe ihrer kritischen Haltung der Welt gegenüber. – Tatjana Turanskyj

Interview mit Tatjana Turanskyi
(von Birgit Kohler)

Birgit Kohler: Im Zentrum des Films stehen eine Frau und eine Stadt. Er verschränkt auf vielfältige Weise weibliche Biografie und urbane Topografie, ist sozusagen ein Frauen-Berlin-Film. Wie ist die Idee zu dieser Konstellation entstanden?

Tatjana Turanskyi: Anfangs wollte ich einen Film über eine Frau machen, die durch Berlin driftet und die Veränderung der Stadt aufspürt. Dann habe ich mich für eine arbeitslose Architektin entschieden. Eine Frau, die unterwegs ist, eine Drifterin, die die Stadt und ihre Veränderung überprüft und dabei eine Architekturrecherche macht, um „tätig“ zu sein. Eine wichtige Frage war, wie künstlich diese Frauenfigur bzw. der Film sein darf. Es war mir von Anfang an klar, dass ich mit dem ultraneuen Berlin-Bild arbeiten muss. Ich wollte nicht Berlin als Kulisse abbilden, sondern zeigen, wie in Berlin in den letzten zehn Jahren aufgeräumt wurde und vieles, was die Stadt ausmacht – ausgemacht hat, jedenfalls für mich – zerstört bzw. abgerissen wurde und wird. Diese Zerstörungen, die durch eine konservative Deutschlandlobby vorangetrieben werden, wollte ich mit meinem Film zur Debatte stellen. Es ist ein Berlin-Film geworden, in dem man Berlin nicht immer wiedererkennt, weil die Stadt in manchen Szenen so aussieht wie ein Modell. Das Hässliche muss abgebildet werden.

Das Bild der Stadt wird in Ihrem Film prominent verhandelt, auf der Grundlage aktueller Stadttheorie-Diskurse. Wie würden Sie die Bedeutung der Architekturen Berlins (Humboldt-Forum, Townhäuser, Finanzministerium u. a.) für Ihren Film beschreiben?

Es ist interessant, dass Sie das Finanzministerium erwähnen. Es ist ein Beispiel dafür, wie in Berlin mit Geschichte umgegangen wird. Signifikante Orte werden übernommen, umbenannt und neu besetzt. Andere Orte wie ein Schloss werden wieder aufgebaut, da wird künstlich Bedeutung geschaffen, ein Palast dagegen wird abgerissen. Oder nehmen Sie die Townhäuser am Werderschen Markt: Da wird wie im 19. Jahrhundert parzelliert und eine Art Fernsehsoapkulisse gebaut. Aber diese neuen Architekturen und Gebäude sind der öffentliche Raum und eine wundervolle Filmkulisse, denn sie repräsentieren den „Zeitgeist“. Wenn Sie so wollen, sind diese Architekturen der in Stein gehauene Antagonist meiner Heldin. Und gegen den kämpft sie wie Don Quichotte. Es ist also ein aussichtsloser Kampf. Aber sie ist nicht naiv: Sie weiß genau, dass auch sie sofort Townhäuser bauen würde, wenn sie einen Job in einem Architekturbüro hätte, das eben Townhäuser baut. Das ist das Dilemma unserer Gegenwart.

Der Motor des Films, seine Triebfeder, ist der Zustand akuter Arbeitslosigkeit und deren Auswirkungen auf Selbstbild und Selbstbewusstsein. Wie wichtig war Ihnen diese gesellschaftspolitische Dimension des Films?

Die Situation von sogenannten „modernen“ Frauen in der heutigen Dienstleitungsgesellschaft ist zentral für meinen Film. Obwohl Frauen in unserer Gesellschaft etwa 25 Prozent weniger verdienen, gelten sie als die „Gewinnerinnen“ der gegenwärtigen Krise. Warum? Weil die meisten von ihnen als flexible Dienstleisterinnen in Niedriglohnsektoren arbeiten. Das ist doch zynisch. Meine Hauptfigur dagegen kommt aus einer männlich dominierten Branche, einem Hochlohnsektor, und ist nicht bereit, sich diesem Dienstleistungsmodell anzupassen, sprich: in unserer gegenwärtigen Gesellschaft zu funktionieren. Gleichzeitig stellt sie ihr eigenes Abhängigkeitsverhältnis zum Themenkomplex „Arbeit, Status und Geld“ überhaupt nicht in Frage. Und genau diese Differenz interessiert mich. Außerdem wollte ich das „Prekär“-Werden von Biografien durch unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse darstellen, was typisch für Berlin und unsere Zeit ist.

Credits

Buch und Regie
Tatjana Turanskyj
Mit
Mira Partecke, Katharina Bellena, Laura Tonke, Andina Weiler, Bastian Trost, Sven Seeger, Torsten Haase, Fabio Pink, Ilia Papatheodorou, Michaela Benn, Thorsten Heidel, Ninoschka Schlothauer, Franziska Dick, Gisela Gard, Mattis Hausig, Birgit Acar, Anna Schmidt, Angelika Sautter, Anna Eger, Saskia Draxler, Chunchun Qian, Aizhen Xu, Weihua Wang, Roman Weiler, Horst Markgraf, Sean Patten, Timur Isik, Dorothea Moritz
Mitarbeit
Claudia Zweifel
Kamera
Jenny Barth
Schnitt
Ricarda Zinke
Musik
Niels Lorenz
Maske
Patricia Makosch, Verena Lindauer
Kostüm
Ingken Benesch, Tanja Jesek, Torsten Haase
Ton
Matthias Gauerke
Tongestaltung
Jochen Jezussek
Mischung
Detlef A. Schitto - Studio 1141
Produktionsleitung
Corinna Volkmann
Produzent_innen
Tatjana Turanskyj, Jan Ahlrichs
Produziert von
turanskyj & ahlrichs
Gefördert von
Medienboard Berlin-Brandenburg, Film- und Medienstiftung NRW
Uraufführung (DE)
18.02.2010, Berlin, IFF – Internationales Forum des Jungen Films
Kinostart
06.01.2011

DVD-Infos

Extras
Original Mood Board, Drehbuchauszüge, Trailer
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Ländercode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
97 min
Bildformat
16:9
Tonformat
DD 2.0
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 1)
Veröffentlichung
23.09.2011
FSK
Ab 12 Jahren

Kinoverleih-Infos

Verleihkopien
Blu-ray Disc
Bildformat
1:1,85
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Werbematerial
A1 Plakat, Trailer
Lizenzgebiet
Deutschland, Österreich, Schweiz
FSK
Ab 12 Jahren