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Shaihu Umar

NIG 1976, 137 min

Adamu Halilu drehte SHAIHU UMAR 1976 in Hausa. Dem Film liegt die gleichnamige Erzählung von Abubakar Tafawa Balewa aus dem Jahr 1955 zugrunde, die mehrfach nachgedruckt wurde. Balewa war von 1957 bis 1966 Ministerpräsident von Nigeria.

Synopsis

SHAIHU UMAR, angesiedelt im Norden Nigerias zum Ende des 19. Jahrhunderts, beginnt mit einem Gespräch zwischen Studenten des Islam und ihrem angesehenen Lehrer, Shaihu Umar. Aufgrund seiner Weisheit nach seiner Herkunft befragt, beginnt er, seine Geschichte zu erzählen. Aus einfachen Verhältnissen stammend wird Umar nach dem Tod seines Vaters und der Verbannung seines Stiefvaters von seiner Mutter getrennt. Auf seinem nachfolgenden, von Sklaverei geprägten Leidensweg durchläuft er mehrere Prüfungen, bis er von seinem arabischen Meister Abdulkarim als Sohn adoptiert wird. Er besucht die Koranschule und wird als Erwachsener zum Iman ernannt. Nach einem Traum beschließt er, seine Mutter zu suchen.

Lange Zeit galt der Film als verschollen. 2016 wurden Negative und Filmkopien im Archiv der Nigerian Film Corporation wiederentdeckt und vom Arsenal – Institut für Film und Videokunst mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Abuja restauriert.

Texte zum Film

Adamu Halilu wurde 1936 in dem nigerianischen Bundesstaat Adamawa geboren. Er studierte Drehbuch und Montage am Londoner Overseas Film and Television Centre sowie an der Shell Film Unit, ebenfalls in London. Vor seiner Rückkehr nach Nigeria arbeitete er für den italienischen Radio- und Fernsehsender RAI in Rom. 1963 realisierte er seinen ersten Spielfilm MAMA LEARNS A LESSON. 1976 entstand mit SHAIHU UMAR Halilus erstes Großprojekt und der erste Spielfilm in Hausa, der meistgesprochenen Handelssprache in West-Zentral-Afrika. Neben seiner Tätigkeit als Spielfilmregisseur war Adamu Halilu auch als Drehbuchautor tätig und an der Herstellung von knapp 70 Dokumentarfilmen beteiligt. 1978 gründete er die Produktionsfirma Haske Films. Von 1983 bis 1985 war er General Manager der Nigerian Film Corporation, 1986 wurde er zum Direktor der Nigerian Film Unit ernannt. Adamu Halilu starb am 1. September 2001.

Weitere Texte

Was geschah mit dem nigerianischen Nachkriegskino?

Man stelle sich vor, sämtliche Werke des italienischen neorealistischen Films oder des deutschen expressionistischen Kino wären zerstört und die Erinnerung an sie ausgelöscht, als hätte es sie nie gegeben – und zwar nicht etwa durch einen Krieg, sondern durch einen mehr oder weniger bewussten, politisch gewollten Akt des Vergessens. Genau dies ist mit dem nigerianischen Nachkriegskino [der Begriff bezieht sich auf den Biafra-Krieg, 1967–1970; Anm. d. Red.] geschehen.
Bis zum Beginn des Biafra-Kriegs war das audiovisuelle Archiv Nigerias, zu dessen Bestand auch die Materialien der von 1939 bis 1955 existierenden Produktionsfirma Colonial Film Unit zählte, ein Beispiel für ein ausgezeichnet geführtes und funktionierendes Archiv. Erst die Notwendigkeit, die Erinnerung an den Krieg und die nachfolgenden Militärdiktaturen auszulöschen, führte zur sukzessiven Aufgabe dieses Hauses der Geschichte.
Man stelle sich vor, man möchte sich als Filmwissenschaftler*in mit dem nigerianischen Kino beschäftigen und die Klassiker sehen, die nach dem Krieg und vor Nollywood entstanden sind. Auf der Liste der zu sichtenden Filme stehen KONGI’S HARVEST (1970, Regie: Ossie Davis, basierend auf dem Theaterstück von Wole Soyinka), BULLFROG IN THE SUN (1971, Regie: Hansjürgen Pohland; basierend auf den Romanen „Things Fall Apart“ and „No Longer at Ease“ von Chinua Achebe) oder SHAIHU UMAR (basierend auf dem gleichnamigen Roman von Tafawa Balewa, dem ersten Premierminister des unabhängigen Nigerias). Wohin wendet man sich, um diese Filme zu sichten und sich näher mit ihnen auseinanderzusetzen? Man kontaktiert die Archive und Bibliotheken, aber die Antwort ist immer die gleiche: Entweder sind die Filme nicht vorhanden, oder es existiert angeblich noch eine Kopie, von der jedoch niemand weiß, wo oder bei wem sie sich befindet. Wie geht man mit einer solchen Situation um? Soll man sich mit Szenenfotos aus den Filmen und Sekundärquellen in wissenschaftlichen Publikationen begnügen und die Primärquelle als verloren betrachten?
Diese Fragen stellten sich mir, als ich vor gut drei Jahren zufällig mehrere Hundert teilweise verrottete Filmdosen in den fast verlassenen Räumen der ehemaligen nigerianischen Film Unit vorfand. Eine der Entdeckungen, die ich dort machte, waren Rollen des verloren geglaubten Films SHAIHU UMAR von Adama Halilu. Der Film gilt als einer der besten Filme des Regisseurs, wenn nicht sogar als sein bester (wobei man als Filmwissenschaftler natürlich alle Filme Halilus sehen möchte, um ein fundiertes Urteil zu treffen), und wurde 1976 mit Unterstützung des nigerianischen Kultusministeriums produziert. Als wir vor den vom Essigsäuresyndrom [einem chemischen Zersetzungsprozess, bei dem u. a. starker Essiggeruch entsteht; Anm. d. Red.] befallenen Filmkopien standen, fragten wir uns, warum sich niemand mit der gebotenen Sorgfalt um diese Kopien gekümmert hat. Die Suche nach weiteren Kopien führte uns zum nationalen Film-, Ton und Videoarchiv und zu der Erkenntnis, dass es Kopien des Films gibt, die sich in besserem Zustand befinden.
Halilus Film handelt vom Sklavenhandel auf den Wirtschaftsrouten durch die Sahara und von der unsterblichen Liebe einer Mutter. Umar, der Protagonist des Films, wird als Sklave verkauft, erlangt dennoch umfassende Bildung und schließlich die Ehrenbezeichnung „Shaihu“ [abgeleitet von dem Wort Scheich; Anm. d. Red.]. Ein nächtlicher Traum von seiner Mutter, die allein durch die Wüste irrt, lässt seine Erinnerung an sie, die auf der Suche nach ihrem Sohn ihrerseits in Sklaverei geraten ist, und an seine verlorene Heimat aufleben. Der Roman „Shaihu Umar“ gilt allgemein als eines der ersten Werke der Hausa-Literatur. Er beschreibt den Islam als einen positiven Einfluss auf die Region und dessen Involviertheit in den Sklavenhandel als rein zufällig. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann man dem Film – um eine wissenschaftliche Publikation zu zitieren – die propagandistische Unterstützung „besonderer Interessengruppen“ zuschreiben und ihn als ein Werk betrachten, „das sich in erster Linie an muslimische Zuschauer richtet und weniger an ein allgemeines Publikum“.
Darüber hinaus bietet sich aber auch eine andere Rezeptionsmöglichkeit für SHAIHU UMAR an – nämlich nicht als peinlicher Propagandafilm, sondern als Meilenstein des nigerianischen Kinos vor dem Aufkommen des Nollywood-Kinos. SHAIHU UMAR gibt Einblick in die Praxis des Filmemachens in einer früheren Ära, die Ende der 1980er Jahre zu Ende gegangen ist. Seit dem Aufkommen des Nollywood-Kinos liegt der Fokus der internationalen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem nigerianischen Kino allein auf diesem Phänomen. Auch wenn der nigerianische Home-Video-Boom ein bedeutender Wendepunkt in der Filmgeschichte des Landes war: Die filmhistorische Phase, die davor lag, geriet dabei aus dem Blick.
Vor fast fünf Jahrzehnten sprach Paulin Vieyra, der Pionier des afrikanischen Kinos, über die Notwendigkeit, die „gefilmten Dokumente zu archivieren“, und über die Möglichkeit der „Errichtung eines Archivzentrums in einer afrikanischen Region“. In Nigeria wie in den meisten anderen Teilen Afrikas ist die Nutzung und Organisation von Filmarchiven mit engen, großen Beschränkungen verbunden, eine Zugangsmöglichkeit zu den Materialien ist kaum gegeben. Die im Rahmen des Forum stattfindende Vorführung von SHAIHU UMAR greift die Initiative von Paulin Vieyra und anderen auf, weitet sie aus – sie macht das nigerianische Nachkriegskino zugänglich. (Didi Cheeka, Januar 2018)

Eine frühe Erzählung über Migration und Verlust

Ein wiederentdeckter Film ist ein neuer Film: SHAIHU UMAR von Adamu Halilu war außerhalb Nigerias, wo er bei seiner Veröffentlichung im Jahr 1976 ein großer Erfolg war, wenig bekannt und wurde kaum gezeigt. Es ist ein in vielerlei Hinsicht wichtiger Film. Er basiert auf einem auf Hausa verfassten Roman eines jungen Autors, der später der erste Premierminister Nigerias wurde. Die Geschichte der literarischen Vorlage – Ergebnis eines von der britischen Kolonialverwaltung initiierten Schreibwettbewerbs – geht weit über die üblichen Szenarien kolonialer Literatur hinaus und handelt von Migration und Verlust. Innerhalb der nigerianischen bzw. der afrikanischen Filmgeschichte nahm der unter der Regie von Adamu Halilu entstandene Film lange Zeit einen eher undefinierten Platz ein. Dies mag unter anderem daran gelegen haben, dass sich der Film in Bezug auf seine Produktionsweise und seinen Verleih außerhalb der europäisch- und nordamerikanisch-konditionierten Rezeptionswege für afrikanische Filme bzw. für afrikanische Filmkultur bewegte. Die Rekonstruktion des Films aus im National Film Archive in Jos gefundenen Fragmenten bietet die Möglichkeit, einen neuen Blick auf die Filmgeschichte zu werfen und herkömmliche Modi der Geschichtsschreibung des Weltkinos zu hinterfragen. (Vinzenz Hediger, Januar 2018)

www.arsenal-berlin.de

Credits

Buch und Regie
Adamu Halilu

Mit
Umaru Ladan (Shaihu Umar), Mairiga Aliyu (Fatima), Husaini Mohammed (Umar, age three years), Umaru Dembo (Makau), Assad Yasin (Abdulkarim), Harira Kachia (Kaka), Hajara Ibrahim, Kasimu Yero, Mamuda Abdullai, Daudu Ahmed, Tuku Na’idde, Yahaya Mohammed, Muhammed Abdu, Zubeiru Danbatta, Dala Isa, Kulu Mashala, Abdulmumini Chiranchi, Mustafa Mohammed

Dialog
Umaru Ladan

Kamera
Yusufu Mohammed, Zakari Yusufu

Schnitt
Edwin Apim

Ton
Baba Gana

Szenenbild
Assad Yasin

Kostümbild
Abdulkarim Mohammed Richard Tsavende

Technical Supervisor
Sunday Ibidun

Location Manager
Zakari Yusufu

Executive Producer
Fatai Kesington

Production Manager
Umaru Dembo

Produktion
Federal Ministry of Information (Federal Film Unit Kaduna, Nigeria)

DVD-Infos

Extras
52-seitiges Booklet (Englisch), Audio track (introduction of SHAIHU UMAR by Didi Cheeka)
Sprache
Hausa
Untertitel
Englisch
Ländercode
2, 3, 4, 5, 6, 8
System
PAL Farbe
Laufzeit
137 min + 21 min Extras
Bildformat
16:9
Tonformat
Dolby Digital 2.0
Veröffentlichung
13.03.2020
FSK
Info-Programm gemäß §14 JuSchG