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Berlin – Utopiekadaver

D 2023

Intrinsisches Zeitdokument von Berlins Hausprojekten! Johannes Blume und seine Protagonist*innen beschreiben die letzten Atemzüge einer Subkultur und den Ist-Zustand einer sich rapide transformierenden Stadt.

Synopsis

Der Punk schwindet, die linksautonomen Orte haben keinen Platz in der Gentrifizierung. Die Hausprojekte, die einst zuhauf vorhanden waren und den Puls der Stadt mitbestimmten, sind so gut wie ausgestorben.
Die Gentrifizierung ist auf den individuellen Besitz ausgelegt. Kapital behalten, vermehren und den Wohlstand der Gesellschaft antreiben. Ein Hausprojekt ist der Gegenentwurf: Jede*r Bewohner*in hat ein Zimmer / Küche, Bad und Aufenthaltsräume werden geteilt. Besitz und Konflikte müssen gemeinsam auf Basis des Konsens entschieden werden. Die Auseinandersetzung mit dem Anderen ist unausweichlich. Das Leben im Hausprojekt ist ein anthropologischer Vollzeitjob.
Es ist kein toter Raum, sondern eine Synthese zwischen Mensch, Material und Geschichte. An den Wänden hängen Plakate, kleben Aufkleber, leuchten Farbflecken, die von Generationen stammen, die gar nicht mehr an den Orten agieren. Neue Aufkleber versuchen den Verfall zu vertuschen, aber doch ist es eindeutig, dass die große Zeit der Szene vorbei ist.

Unser Film ist eine Suche nach den gesellschaftlich relevanten Werten der Subkultur. Wir bewegen uns mit den Protagonist*innen durch ihre Welt. Nicht über sie distanziert, sondern mit ihnen gehen wir auf Kundgebungen, Demonstrationen, KüFas (Küche für alle), durch ihre Privat- und Berufsleben. BERLIN – UTOPIEKADAVER soll das Gefühl vermitteln, Teil dieser Subkultur zu sein und einen Einblick außerhalb der Bürgerlichkeit vermitteln. Dabei reden wir mit Menschen, die sich sonst nicht der Kamera öffnen und erstrecht nicht unvermummt und ohne selbstgeschriebene Rede. Im freien Gesprächen und auch Beobachtungen sehen wir Menschen aus dem Tuntenhaus, aus der Rigaer Straße, von der Liebig34, dem Tommyhaus, dem Syndikat, der Meuterei, der Köpi und der Potse und dem Drugstore. Orte, die immer wieder als links extremistisch verschrien durch die Presse geistern. Die Ankerpunkte des Films sind die bevorstehenden Räumungen des links autonomen Jugendzentrums Potse und des Köpi Wagenplatzes; beides Institutionen der Berliner Punk- und autonomen Szene.

Weitere Texte

Statement des Regisseurs

Als Berliner wusste ich immer, dass die Boulevard Presse, aber auch der Qualitätsjournalismus sich ein Bild über die linken Orte der Stadt ausmalen, die stark übertrieben oder einfach nicht mehr aktuell sind. Das Bild der RAF oder der „Chaostage“ der 80er / 90er Jahre steckt tief in der gesellschaftlichen Mitte und sorgt immer noch für Schlagzeilen.
Dabei ist es so spannend Menschen und Orte kennenzulernen, die sich dem unangefochtenen Kapitalismus entgegenstellen wollen; die nicht das Ideal der Bürgerlichkeit verfolgen, sondern sich abgrenzen wollen.
Offen, naiv und wohlwollend bin ich in die Szene eingetaucht und lernte Menschen kennen, vor denen ich Respekt hatte. Weitaus weniger gefährlich und auch teilweise enttäuschend nah am System, von dem sie eigentlich rauswollen, sind es aber Menschen, die für Ihre Ideale einstehen. Äußerlich und Innerlich mit all den Konflikten und Repressionen, die sie mit sich bringen.
Die Ideale sind bewundernswert und erfrischend. Das Essen, die Kultur, das Wohnen, das Arbeiten ist nicht auf die individuelle Bereicherung ausgelegt, sondern hat die Triebfeder das Kollektiv selbst zu unterstützen und vor allem den Gedanken der Solidarität zu fördern; die Menschen zu hören und aufzufangen, die sonst durch das Raster fallen.
Mich hat es sehr gereizt mit dem Anspruch an das Kino etwas zu beschreiben, was die Presse und das Fernsehen in den letzten 40 bis 50 Jahren nicht wollten. Einen tiefen und zugeneigten Blick auf die linksautonome Szene in Berlin. Meine Kraftquelle, mein Mantra auch in schwierigen Situationen war Robert Bresson, von dem ich las: „Make visible what, without you, might perhaps never have been seen.“