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Freakstars 3000

D 2003, 75 min

FREAKSTARS go Hollywood! Nach dem vieldiskutierten Behindertenmagazin FREAKSTARS 3000 auf Viva Plus jetzt der FREAKFILM 3000. Der Film zeigt Höhepunkte sowie ungesendete Bilder des erfolgreichsten Formats, das Viva je zeigte – Christoph Schlingensiefs Variante der bekannten RTL-2-Show POPSTARS. Eine Serie von Beschränkten für Beschränkte.

Synopsis

„Was heißt eigentlich normal? Und wer ist hier behindert? Wie funktioniert ein Rollstuhl und wer bestimmt, wer drin sitzt und wer schiebt? FREAKSTARS 3000 ist ein 30-minütiges Maganzin für eine vermeintlich normale Gesellschaft, die vermeintlich sonderbare Zeitgenossen als behindert abstempelt und auslagert, um sich die himmelblau lackierte Fernsehtristesse nicht zu versauen – eine wahre Aktion Mensch, von Beschränkten für Beschränkte. Bewohner des Tiele-Winckler-Heims in Berlin-Lichtenrade holen vereinsamte Zielgruppen ins Leben und Reißbrettfernsehen auf den Boden der Tatsachen zurück. Innerhalb einer zur Ödnis verkommenen TV-Landschaft, in der geistige Provinzfürsten wie Gottshcalk, Maischberger oder Kerner das Zepter schwingen, holen die FREAKSTARS das Bild hinter dem Bild vor die Kamera. Episoden wie Freakman (eine Anspielung auf die Talksendung Friedman im Hesssichen Rundfunk), Homeshopping und Presseclub führen ad absurdum, was Medienwissenschaftler als richtungsweisend und Fernsehkritiker als Boom bezeichnen. Die FREAKSTARS laden ein zur großen Expeditionsreise durch die nur noch mäßig magischen Kanäle eines Marshall McLihan. Sie halten den Einschaltquotenreglern und Marktanteilsnehmern, den Zuschauern, einen Spiegel vor, aus dem eine bisweilen schwer erträgliche Fratze zurückgafft.“

Nach einer Idee des deutschen Aktionskünstlers und Theatermachers Christoph Schlingensief startet Regisseur Hans-Joachim Paczensky im April 2002 ein TV-Projekt, das geistig und körperlich Behinderte bewusst in den kreativen Prozess des Fernsehmachens einbeziehen soll. Mehr noch, übernehmen sie die Federführung eines Projekts, das in der (deutschen) Fernsehgeschichte seines gleichen sucht. 
Nach Dreharbieten im April und Mai des Jahres gehen die FREAKSTARS 3000, eine Zusammenarbeit der ROYAL Produktion Berlin mit der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz im Auftrag von Viva / Viva Plus, am 8. Juni 2002 erstmals auf Sendung. Die sechsteilige Reihe beschert dem Jungend- und Musiksender Traumquoten und löst eine Debatte um die Alltäglichkeit von Behinderung aus, innerhalb derer auch Albträume wahr werden.
Angelehnt an den unverklappten RTL2-Müll POPSTARS, aus dem heraus selbsternannte Tanztrainer und Psychotherapeuten Retortenbands wie No Angels oder Bro'Sis kramten, zieht sich das Casting für die Band MUTTER SUCHT SCHRAUBEN durch alle FREAKSTARS-Folgen.

Streaming-Info

Der Film ist über unseren Vimeo-Kanal zum Leihen oder Kaufen erhältlich. Weitere Anbieter siehe „Film kaufen“.
Sprache: Deutsch, Untertitel: Englisch

Pressestimmen

Eine großartige Persiflage auf weit mehr als nur das Superstar-Gedöns im Fernsehen, eine sehr humorvolle Unterhaltung – und vor allem: eine Show mit behinderten Menschen als alleiniger Mittelpunkt ohne jedes Verständnisgesäusel. Das dürfte einzigartig sein! (Frankfurter Rundschau, 18.11.2003)

Christoph Schlingensiefs Antwort auf „Deutschland sucht den Superstar“ heißt „Freakstar 3000“. Aus der Viva-Serie ist jetzt ein Film geworden: eine glückliche Koppelung von Behinderung, Pop, Stilwillen und ein bisschen Sehnsucht nach Eigensinn. (Harald Fricke, taz, 20.11.2003)

Wieder einmal sucht Deutschland nach Superstars – dieses Mal im Berliner Thiele-Winckler-Heim für Behinderte. (...) Die Kandidaten geben alles, zeigen ihre Gefühle so ungebiert wie Daniel Kübelböck. Bleibt nur ein Schluss: Wenn diese Leute plemplem sind, dann spinnt das ganze System. (BZ, 20.11.2003)

Das Castingspektakel „Freakstar 3000“, das dabei herauskam, wurde in Hof heftig beklatscht, von Teilen des Publikums auch angewidert vor Filmschluss verlassen. (Stuttgarter Zeitung 28.10.2003)

Presse zum Start von FREAKSTARS 3000 auf Viva Plus

Vielleicht der moralischste Entertainer Deutschlands. Einer, der es ehrlicher als Jauch meint, der die Behinderten an die Hand nimmt und sagt: Zeigt wer ihr seid und was ihr könnt. (8.06.2002)

Im Fernsehen, in dem immer alles so glatt läuft, ist Schlingensief tatsächlich fast immer eine originalle Abwechslung. (Barbara Nolte, Tagesspiegel, 08.06.2002)

Wie in der RTL-2-Show wird in „Freakstars“ gesungen und getanzt. „Presseclub“ und „Kochstudio“ werden von den so genannten Freaks ebenso bestritten wie ein „Vorher-/ Nachher-Mode Ratgeber“. Eine Rubrik hat sich der Chefprovokateur vorbehalten: den „Wutanfall der Woche“ kriegt er immer noch selbst. (06.06.2002)

Preise und Festivals

- Internationale Hofer Filmtage 2003
- International Film Festival Rotterdam 2004

Weitere Texte

Einige emotionale Reaktionen auf die Pressevorführung von FREAKSTARS 3000
Auszug aus einer Bestandsaufnahme von Jörg van der Horst

So wie FREAKSTARS 3000 hat auch der FREAKFILM im Anschluß an seine Pressevorführung Begeisterung und harsche Ablehnung gleichermaßen hervorgerufen. DER SCHNITT spricht von einem „grandiosen Neuanfang für den Deutschen Film“, die FAZ registriert eine Neudefinition des Autorenfilms, „bei dem die Macher nicht nur Regie führen, sondern auch alle Haupt- und Nebenrollen besetzen“. CINEMA hingegen sieht im FREAKFILM eine „talentfreie, weil von Krankheit verseuchte Zone“, die BUNTE „ein Deutschland, das es so nicht gibt und das wir auch nicht wollen“.

Einem empörten und durchaus bekannten TV-Gesicht, das sich in einem Brief an Regisseur Paczensky persönlich über FREAKFILM 3000 beschwerte und eine Inkenntnissetzung der landesmedienanstalt ankündigte, schrieb Paczensky ebenso persönlich zurück:

„ (...) Ihre harsche Aburteilung beruht auf einer Ansammlung von vermutungen, die ich Ihnen nicht nehmen will. Da gerade Sie aber um die Verhältnisse im Fernsehapparat wissen, führt Ihre Argumentation vollkommen und offenbar willentlich in die Irre. In aller Bescheidenheit nehmen wir, die Freakstars, zufrieden, aber nicht selbstzufrieden zur Kenntnis, daß jener Umgang mit dem Thema Behinderung, der in Ihrem Schreiben zum Ausdruck kommt, Ursprung und Antrieb für die Realisation der Kinoversion gewesen ist. Ihre abschließende Vorhaltung, der Film trete nicht für einen „ungezwungenen Umgang mit Gehandicapten“ ein, richtet sich meinem Verständnis nach gegen Ihren Beitrag selbst. (...)  
Ich betrachte es nicht als meine Obliegenheit, Ihre Zweifel an einer „angemessenen Aufklärung“ der an den Dreharbeiten Beteiligten über Intention und Inhalt der Produktion zerstreuen zu müssen. Seien Sie Ihrerseits aber bitte so freundlich und registrieren Sie folgenden Sachverhalt: Das Filmkonzept war mitnichten ein „Schnellschuß“, der sendefähigen Version ging eine siebenmonatige Vorbereitungszeit voraus. Nicht minder frühzeitig und unverkrampft gestaltete sich der Kontakt zu den Darstellern, allesamt Bewohner des Tiele-Winckler-Hauses in Lichtenrade. Das Tiele-Winckler-Haus ist eine gemeinnützige Einrichtung der Stiftung Diakonissenhaus Friedenshort, das sich seit über 90 Jahren für Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung einsetzt. Es wäre sicherlich interessant, die an FREAKSTARS und FREAKFILM engagiert mitarbeitenden Betreuer, durch den alltäglich-gesellschaftlichen Umgang mit eben diesen, mit ihrer fahrlässigen und schlichtweg abstrusen Bemerkung zu konfrontieren, der Film knüpfe an „nationalsozialistische Propaganda zur Rechtfertigung der Euthanasie- und Massenvernichtungsprogramme“ an. (...) 

Ebenso wenig ist der Filmtitel aus einer „Bierlaune“ heraus entstanden. Erlauben Sie mir jedoch die frage, weshalb Sie zur Definition des Freakbegriffs ganz offensichtlich ein Lexikon zu Rate ziehen, anstatt ihn assoziativ und gemäß seiner umgangssprachlichen Bedeutung fließend zu erklären? Indes erwidere ich Ihre frage, ob bei der Produktion „überhaupt an Zuschauer“ gedacht worden sei, dahin gehend ausdrücklich mit Nein, als es nicht darum ging, einem Publikum jedweder Altersklasse einen schlichweg unterhaltenden Abend zu ermöglichen. Daß es trotzdem möglich ist, über die Darsteller und ihre Authentizität zu lachen, ist letztlich ihrem schier unerschöpflichen Vorrat an Ausdrucksmöglichkeiten zu verdanken. Wieso also soll das ungeschriebene Recht der Mitwirkenden auf Selbst-Darstellung hinter Ihrem Recht auf Abendunterhaltung zurück stehen? Fühlten Sie sich penetriert, Herr...? War Ihnen der cineastische Anblick Behinderter in Verbund mit dem nicht inszenierten Ausdruck von Lebensfreude unangenehm? Sehen Sie den Ihrerseits angeführten Art. 1 GG tatsächlich im Hinblick auf die Arbeit mit Behinderten vor einem großen Publikum verletzt? Geht es Ihnen wirklich um eine Verletzung der Würde behinderter Menschen? Oder geht es nicht vielmehr darum, daß Sie es sich selbst in Ihrer Menschenwürde bequem gemacht haben und sich jede Infragestellung Ihres ganz eigenen Wertekanons verbitten? Gestatten Sie mir die keineswegs schadensfrohe Diagnose, daß es offensichtlich gelungen ist, Ihre lieb gewonnenen Sehgewohnheiten zu brechen! (...)

Unverständlich auch Ihre Auffassung, jugendliche Zuschauer könnten „aufgrund ihrer Entwicklung noch nicht genug differenzieren“, ein Pupertierender dächte „über behindert und gesund“ überhaupt nicht nach. Wollen ausgerechnet Sie sich anmaßen, potentiellen Differenzierungsproblemen junger Menschen im Verlauf Ihrer allwöchentlichen Fernsehpräsenz Rechnung zu tragen? Woher nehmen ausgerechnet Sie Ihre Weisheit, daß Sie mehrmals in Ihrem Schreiben Heranwachsende zu „trashkonsumierenden Dummköpfen“ degradieren? Hätten Sie sich die Mühe gemacht, das seit Erstausstrahlung der FREAKSTARS 3000 zur Verfügung stehende ZUschauerforum gegenzulesen, dann hätten Sie nicht erst auf den zwieten Blick festgetsellt, wie interesseirt und differenziert die von Ihnen abqualifizierte Altersklasse – und nicht minder Angehörige anderer Altersklassen – über das Thema Behinderte im Alltag und Fernsehen nachgedacht und sich ausgetauscht haben. (...)  
Ihrer Beschwerde beid er Landesmedienanstalt Nordreihn-Westfalen sehe ich mit Spannung entgegen. Seien Sie bitte so gut und räumen Die in dieser auch dem Umstand PLatz ein, daß das Programmrat des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) die Verwertung des FREAKSTARS-Konzepts abgelehnt hat: nicht etwa aus Gründen menschenverachtender Inhalte, sondern weil „das eingereichte Konzept keinerlei Aussicht auf zufriedenstellenden Zuschauerzuspruch und einen dementsprechenden Marktanteil“ biete (an Herrn Schlingensief und mich gerichteter Brief vom 12.9.2001).“
   

Bekloppte – das ist die Mehrheit
Auszug aus einem Interview mit Christoph Schlingensief zum Start von FREAKSTARS 3000 auf Viva, taz 8.06.2002
von Henning Kober

Henning Kober: Sie haben heute im Behindertenheim Tiele-Winkler in Lichtenrade gedreht. Wie war der Tag mit den Bewohnern?

Christoph Schlingensief: Sehr gut. Es ist antrengend, aber die Arbeit mit den dort wohnenden Behinderten erzeugt mehr Kraft als sämtliche Proben am Theater. Sonst fahre ich oft von Dreharbeiten weg und denke, was haben wir da gemacht, wie bekommt man das zusammen. Das hier ist vollkommender Zeitfluss.

Was passiert in den sechs Folgen von „Freakstar 3000“?

Wir orientieren uns am Konzept der „Popstars“-Sendung. Beim Wien-Container und beim „Quiz 3000“ haben wir ja auch schon das Big-Brother-Prinzip verwendet. Wir gründen mit den Behinderten eine Band, deren Lieder im Juli auf einer CD veröffentlicht werden. Außerdem gibt es wöchentliche Rubriken, wie „Freakmann“, die sich an der Friedmann-Talkshow orientiert, den Wutanfall der Woche oder einen Presseclub. Es geht mir nicht darum, einen neuen Mitleidverein zu entdecken und sich jetzt mal um Behinderte zu kümmern, sondern ich glaube, so genannte Behinderung ist eine Sprache, die wir verloren haben. Die können wir nicht imitieren, aber es lohnt sich zu schauen, ob das nicht ein Sprachkodex ist, der in uns selbst wohnt, und den wir verdrängt haben. (...)

Und wer ist für Sie ein Freak?

Da ich den alten Tod-Browning-Film „Freaks“ sehr mag, würde ich sagen, der Freak ist die Situation selbst, die uns zur Unterscheidung zwingt, was normal ist und was nicht. „Wir sind gesund und ihr seid krank“ hieß ein Lied der Gruppe „FSK“ Anfang der 80er-Jahre. Als behindert gelten Menschen, die körperlich, seelisch oder geistig beeinträchtigt sind und deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dadurch erschwert wird. In Deutschland leben mehr als acht Millionen Behinderte. Sie haben ihr eigenes System und müssen gleichzeitig auch noch mit unserem angeblich „normalen“ umgehen, während wir nicht mal mit unseren Nachbarn klarkommen. (...)

Für „Freakstar 3000“ haben Sie den Sender gewechselt, von MTV zu Vivi plus. Sind Sie etwa ein Buddy von Dieter Gorny?

MTV hat mich gezwungen, an einem Wochenende vier Folgen zu drehen. Auf der einen Seite war das interessant, weil dadurch ein gewisser Verfall sichtbar wurde, dann sollte ich aber das Material nicht selbst scheiden dürfen. Ich musste 1500 Mark zahlen für jeden Tag, den ich in den Schneideraum gegangen bin. Darüber habe ich mit Gorny geredet.

Keine Skrupel, einem in erster Linie gewinnorientierten Börsenunternehmen künstlerisches Profil zu geben?

Klar, schlimm, Viva, das kommt dann automatisch. Nennen Sie mir einen Sender, der nicht gewinnorientiert denkt? Bloß weil da jüngere Leute hocken und nicht bei Christiansen den ganzen Politainment-Scheiß gucken? Ich hab auch mit den Öffentlich-Rechtlichen gesprochen, die hatten dann aber doch Bedenken wegen des Rundfunkrats und glaubten, dass die Behinderten bei Pfarrer Fliege besser aufgehoben sind. Außerdem waren sie viel gieriger als Grony. Jetzt drehen wir ein Zehntel des Produktionsbudgets. Es geht mir um die Sache und nicht ums Verdienen.

Credits

Idee und Regie
Christoph Schlingensief
Mit
Achim von Paczensky, Irm Hermann, Christoph Schlingensief, Helga von Paczensky, Mario Garzaner, Kerstin Grassmann, Werner Brecht, Horst Gelloneck, Axel Silber, Brigitte Kausch-Kuhlbrodt, Susanne Bredehöft und den Bewohnern des Thiele-Winckler-Hauses in Berlin-Lichtenrade
Kamera
Dirk Heuer, Meika Dresenkamp
Schnitt
Robert Kummer
Musik
Uwe Schenk
Ausstattung
Heike Meixner, Mascha Deneke
Produziert von
Filmgalerie 451, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Royal Produktion
Uraufführung (DE)
24.10.2003, Hof, Internationale Filmtage
Kinostart (DE)
20.11.2003

 

DVD-Infos

Extras
30 Minuten bisher unveröffentlichte FREAKSTARS-Szenen, Biografie, Making-of: Interview – Filmpremiere – Hofer Filmtage – Alle Extras ohne Untertitel
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch
Ländercode
Code-free
System
PAL / Farbe
Laufzeit
75 min + 45 min Extras
Bildformat
4:3
Tonformat
Stereo
Inhalt
Softbox (Set Inhalt: 1)
Veröffentlichung
24.07.2009
FSK
Ab 6 Jahren

Kinoverleih-Infos

Verleihkopien
DCP
Blu-ray Disc (Stereo, auf Anfrage)
Bildformat
Digi Beta, Beta SP, 4:3
Sprache
Deutsch
Untertitel
Englisch (DCP, BD)
Werbematerial
A1-Poster (leihweise)
Lizenzgebiet
Weltweit
FSK
Ab 6 Jahren